27. Mai 2024 Interview, Globaler Strukturwandel für planetare Gesundheit

Zwischen COP und WHA: Das Wichtige passiert dazwischen und in den Ländern

 

Sophie Gepp ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Centre for Planetary Health Policy (CPHP) mit einem Arbeitsschwerpunkt auf der globalen Governance von Planetarer Gesundheit. Parallel promoviert sie in Medizin in der Arbeitsgruppe Klimawandel und Gesundheit an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Heute ist in Genf die 77. World Health Assembly gestartet. Unsere wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen Sophie Gepp und Dr. Remco van de Pas beobachten die Konferenz genau: Sophie mit Blick auf Klimawandel und Gesundheit, Remco verfolgt alles rund ums Pandemie-Abkommen. Wir haben sie gefragt, was sie von der #WHA77 erwarten.

Sophie, du warst im Dezember auf der COP28 in Dubai, wo 149 Länder eine Deklaration zu Klima und Gesundheit unterzeichnet haben. Wie greifen COP und WHA hier in einander?

Sophie Gepp — In Dubai wurde der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Gesundheit in der internationalen Klimapolitik deutlich hervorgehoben. Zum ersten Mal gab es einen Gesundheitstag, und bis jetzt haben 149 Länder  die COP28 Declaration on Climate and Health unterzeichnet. Jetzt ist es wichtig, dass der Nexus Klimawandel und Gesundheit auch in der globalen Gesundheitspolitik hoch auf die Agenda kommt und dort bleibt. Das aktuelle Arbeitsprogramm der WHO nennt den Klimawandel bereits als strategisches Ziel. Und auf der heute beginnenden WHA steht eine Resolution zu diesem Thema zur Abstimmung.

Was wird in den kommenden Tagen in Genf besonders wichtig?

Gepp — Die Verabschiedung der Resolution zu Klimawandel und Gesundheit wäre ein wichtiges politisches Bekenntnis der Regierungen und der WHO, Klimaschutz in globaler und öffentlicher Gesundheit zu priorisieren und die Menschen vor den vielfältigen gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Der Resolutionsentwurf setzt einen Rahmen für Gesundheitsförderung und für die Umsetzung klimaresilienter und nachhaltiger Gesundheitssysteme. Der Text hätte an manchen Stellen noch ambitionierter sein können, beispielsweise was die Nennung fossiler Energien als Treiber der Klimakrise oder der Sprache zu vulnerablen Bevölkerungsgruppen angeht. Nichtsdestotrotz: Sollte die Resolution verabschiedet werden, wird sie großen Einfluss darauf haben, wie die WHO und ihre Mitgliedsstaaten auf die Klimakrise reagieren. Gleichzeitig wird sie die Verknüpfung von Klima- und Gesundheitspolitik stärken und die Zusammenarbeit mit klimapolitischen Foren und Institutionen befördern.

Wie geht es nach der WHA weiter?

Gepp — Die Resolution wäre nur der erste Schritt. Wichtig ist dann, wie WHO und Mitgliedstaaten weitergehen und diese umsetzen, also beispielsweise Klimawandel in ihre nationalen Gesundheitsstrategien integrieren und dafür Gelder bereitstellen. Zudem sollte die intersektorale und -ministerielle Zusammenarbeit auf Länderebene gestärkt werden. Gesundheit muss in allen Politikfeldern und auf allen Ebenen mitgedacht werden.

Auch soll im Nachgang ein globaler Aktionsplan entwickelt werden, bei dessen Erarbeitung die Zivilgesellschaft eingebunden und der möglichst ambitioniert und weitreichend sein sollte, um Gesundheit bestmöglich zu schützen. Essenziell zur Umsetzung der Resolution ist zudem die Finanzierung von Seiten der Mitgliedsstaaten.

Im Juni geht es mit in Bonn direkt im Anschluss an die WHA mit den Zwischenverhandlungen zur COP weiter…

Gepp — Genau. Dort wird besonders relevant, wie die auf er COP28 vereinbarten Schritte in den Bereichen Anpassung, Minderung, Schäden und Verluste nachgehalten werden. Ein Beispiel ist die in Dubai vereinbarte Abkehr von fossilen Energien und das „Global Goal on Adaptation“. Zentral werden in diesem Jahr auch die Verhandlungen zu einem neuen Klimafinanzierungsziel sein. Gleichzeitig ist es für den Nexus Klimawandel und Gesundheit wichtig, dass die „COP28 Deklaration zu Klima und Gesundheit“ und deren konkrete Umsetzung nachgehalten wird. Grundlegend wichtig ist aber vor allem, dass Gesundheitsakteure sich weiterhin sowohl für die Umsetzung im Gesundheitssektor, als auch für ambitionierte und gerechte Klimapolitik zum Schutze der Gesundheit einsetzen.

Remco, du hast von Beginn an die Entwicklung des Pandemie-Abkommens verfolgt. Worum geht es da?

Dr. Remco van de Pas — Als Antwort auf die Covid-19-Pandemie haben die WHO-Mitgliedstaaten daran gearbeitet, die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IHR 2005) zu verbessern und begonnen, ein Pandemieabkommen auszuhandeln. Beides mit dem Ziel, Prävention, Vorbereitung und Reaktion auf künftige internationale Epidemien und Pandemien zu stärken. Ein solches Abkommen sollte auch den gerechten und rechtzeitigen Zugang zu Daten, Informationen über Krankheitserreger und wichtigen medizinischen Produkten, wie Impfstoffen und Tests, sicherstellen und zudem die gemeinsame Nutzung von Technologien und den Aufbau von Kapazitäten, auch für One-Health-Konzepte, regeln.

Wo stehen die Verhandlungen?

van de Pas — Seit Ende letzter Woche, also direkt vor Beginn der WHA, ist klar: die Mitgliedsstaaten konnten sich nicht einigen. Das ist enttäuschend, aber ehrlich gesagt Anbetracht der unterschiedlichen nationalen Interessen und Politiken in diesem Bereich überrascht es mich wenig. Wenn die eigene Bürger:innen in Gefahr sind, haben Innenpolitik und nationale Sicherheit fast immer Vorrang vor der globalen Zusammenarbeit, das hat die letzte Pandemie klar gezeigt.

Wie geht es jetzt weiter?

van de Pas — Das bleibt abzuwarten. Der Teufel steckt im Detail. Die Herausforderung besteht darin, einen Kompromiss zwischen den Industrieländern und Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen zu finden. Es geht um Fragen wie gerechter Zugang, Verantwortlichkeiten, Einhaltung und Finanzierung. Natürlich ist das Scheitern der Vereinbarung auf den ersten Blick ein diplomatischer Rückschlag für die WHO. Aber vielleicht hat es auch etwas Gutes, denn besser eine gute Einigung mit Verzögerung, die dann aber auch alle mittragen, als eine schnelle Vereinbarung, der viele misstrauen.

Was hat der Pandemie-Vertrag mit planetarer Gesundheit zu tun?

van de Pas — „Planetare Gesundheit“ wird in der Vereinbarung nicht erwähnt, wohl aber „One Health“.  Letztendlich kann Prävention, Vorbereitung und Reaktion auf künftige Pandemien nur gelingen, wenn wir einen strukturelleren One-Health-Ansatz und sogar einen Ansatz der planetaren Gesundheit verfolgen, bei dem die Wiederherstellung verschiedener Ökosysteme sowie sozioökonomische und ökologische Ungleichheiten im Vordergrund stehen.

Das Pandemie-Abkommen bräuchte einen stärker auf Gerechtigkeit ausgerichteten Ansatz. Angesichts der unterschiedlichen Interessen werden aber wahrscheinlich eher die direkten und mittelfristigen Risikofaktoren künftiger Pandemien im Mittelpunkt stehen. Um die multiplen Krisen zu überwinden, denen wir uns gegenübersehen, ist aber vielmehr ein triefgreifender struktureller Wandel erforderlich.

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Das Interview führte Maike Bildhauer.

Mit diesem und weiteren Interviews mit unseren Wissenschaftler:innen möchten wir aktuelle Debatten rund um planetare Gesundheit aufgreifen und über unsere Arbeit und Schwerpunkte informieren.

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