Auswertung einer Umfrage der Stiftung Gesundheit im Auftrag der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. und dem Centre for Planetary Health Policy
Dorothea Baltruksa, Nikolaus C.S. Mezgera, Christian M. Schulzb, Maike Vossa*
a) Centre for Planetary Health Policy, Berlin
b) KLUG — Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit
*Autor:innen in alphabetischer Reihenfolge
E‑01–22
DOI:10.5281/zenodo.7304594
Nach einer ersten beauftragten Umfrage zur Umsetzung der Beschlüsse des 125. Deutschen Ärztetages zu Klimawandel und Gesundheit führte die Stiftung Gesundheit im Spätsommer 2022 eine zweite Befragung im Auftrag des Centre for Planetary Health Policy (CPHP) und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG) durch.1 Eine repräsentative Stichprobe der niedergelassenen und in Klinik tätigen Fachärzt:innen und der Führungskräfte von Akut- und Rehakliniken sowie Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) aus dem Strukturverzeichnis der Stiftung Gesundheit wurde zu drei Kernthemen befragt:
- Persönliche Einstellung zur Notwendigkeit der Reduktion von Treibhausgasemissionen im Allgemeinen und im Gesundheitswesen
- Umsetzung von Maßnahmen für Umweltschutz und Nachhaltigkeit in der eigenen Einrichtung
- Hindernisse zur Umsetzung von Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Arbeitsalltag
Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung bei Prof. Dr. med. Kai Kolpatzik (Kuratoriumsmitglied Stiftung Gesundheit), Robert Schulz, Adrian Baumann, Sophie Sasse und Frederick Schneider.
Hauptergebnisse auf einen Blick
Ärzt:innen und Führungskräfte sind sich sehr bewusst, dass Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise in Gesundheitseinrichtungen ergriffen werden müssen. Es fehlt jedoch an der konkreten Umsetzung von Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen im klinischen Alltag, an der Verankerung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit als strategische Führungsaufgabe sowie fachspezifischem Wissen.
In Gesundheitseinrichtungen werden direkte und indirekte Treibhausgasemissionen nicht flächendeckend und regelmäßig erfasst. In unserer Umfrage wusste fast die Hälfte der Führungskräfte nicht, ob die eigene Einrichtung diese Bilanzierung vornimmt. Auch in Bezug auf Klimaanpassungsstrategien der Einrichtungen waren viele Führungskräfte uninformiert. Ein Viertel der Leitungen wusste weder, ob die Gebäude und Infrastruktur ihrer Einrichtung auf Gefährdung (z.B. durch Extremwetterereignisse wie Hitze, Stürme, Fluten) und Schwachstellen analysiert werden, darauf vorbereitet sind, noch ob Hitzeaktionspläne existieren und umgesetzt werden.
Niedergelassene Ärzt:innen berücksichtigen Nachhaltigkeitskriterien im Management ihrer Einrichtung noch nicht ausreichend, aber eher, als Kolleg:innen in Klinikleitungen. Dies zeigt sich insbesondere in der Beschaffung von Medizinprodukten und im Qualitätsmanagement. Fast zwei Drittel der Klinikleitungen gaben an, dass Umsetzungsstrategien für Umweltschutzund Nachhaltigkeitsziele in ihrer Einrichtung noch nicht definiert wurden. Führungskräfte in Kliniken identifizierten auch deutlich häufiger Hindernisse wie mangelnde finanzielle Mittel, das Fehlen verantwortlicher Mitarbeitender sowie fehlendes Wissen bzw. Fachkunde von Mitarbeitenden, als ihre Kolleg:innen in Praxen und MVZ.
Diese Ergebnisse zeigen Handlungsnotwendigkeit: Erstens Treibhausgasemissionen in der gesamten Gesundheitswirtschaft systematisch zu erfassen und zu reduzieren, zweitens Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Resilienz als Führungsaufgabe zu etablieren, drittens klima- und umweltrelevante, fachspezifische Informationen durch Aus- und Weiterbildung zu verbreiten und viertens Über- und Fehlversorgung zu vermeiden.
Methodisches Vorgehen
Die Einladung zur Teilnahme an der Umfrage wurde von der Stiftung Gesundheit an alle 6.079 Führungskräfte in Kliniken und MVZ (Vollerhebung) sowie an 15.000 ambulant und stationär tätige Fachärzt:innen (Stichprobe) per E‑Mail gesendet, die hinsichtlich Gender, Fachgebieten, Alter sowie geografischer Verteilung repräsentativ für die niedergelassene und angestellte Ärzt:innenschaft in Deutschland aus dem Strukturverzeichnis der medizinischen Versorgung ausgewählt wurden. Als Erhebungsinstrument wurde ein Online-Fragebogen konzipiert. Die vier Fragen im Online-Fragebogen basieren auf bisherigen Befragungsergebnissen. Die Führungskräfte und Ärzt:innen der Stichprobe erhielten eine Informations-E-Mail, die einen personalisierten Link zum Online-Fragebogen enthielt. Die nicht incentivierte Online-Umfrage erfolgte vom 13. bis zum 27. September 2022 – Personen, die nach einer Woche noch nicht teilgenommen hatten, erhielten einmalig eine Erinnerungsmail.
Limitationen
Da die Umfrage freiwillig ausgefüllt wurde, ist von einem Freiwilligkeitsbias auszugehen, bei dem Personen mit größerem Interesse an der Thematik wahrscheinlicher an unserer Umfrage teilgenommen haben. Obwohl der Bias sozialer Erwünschtheit in umweltpsychologischen Studien als eher gering eingeschätzt wird2 und die Datenverarbeitung anonym war, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Teilnehmende sozial erwünschte Antworten gegeben haben.
Klimaschutzpotenzial des deutschen Gesundheitswesens
Anders als für viele andere Sektoren gibt es für das deutsche Gesundheitswesen keine Treibhausgasreduktionsziele, es trägt etwa 5% zu den nationalen Treibhausgasemissionen sowie 5% des Rohstoffverbrauchs bei.3,4 Gleichzeitig sind die gesundheitlichen Auswirkungen durch die Klimakrise bereits jetzt deutlich spürbar und werden durch die Treibhausgasemissionen der Gesundheitswirtschaft mitverursacht. Dies wirft die Fragen auf, wo genau die Treibhausgasemissionen im deutschen Gesundheitswesen liegen und welche Hebel von Führungskräften und politischen Entscheidungstragenden betätigt werden müssten, um sie zu reduzieren.
Es besteht eine Diskrepanz im Gesundheitssektor zwischen den Hauptemissionsquellen und den Bereichen, in denen Dekarbonisierungsmaßnahmen priorisiert werden. Etwa 70% der Emissionen entstehen in den Lieferketten (z.B. pharmazeutische, medizinisch-technische Produkte sowie weitere Dienstleistungen), welche auch als Scope 3 Emissionen bezeichnet werden (Abb. 1)3. Der Fokus vieler Dekarbonisierungsmaßnahmen liegt hingegen auf den deutlich sichtbaren Scope 1 und 2 Emissionen, die einerseits nur 30% der Emissionen ausmachen, andererseits aber im unmittelbaren Handlungsbereich der Führungskräfte in den jeweiligen Gesundheitseinrichtung liegen.
Hohes Bewusstsein für Klimawandelfolgen auf die Gesundheit, aber wenig Umsetzung in Gesundheitseinrichtungen
Die von der Stiftung Gesundheit im Auftrag des Centre for Planetary Health Policy und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) durchgeführte Umfrage zur „Umsetzungsbereitschaft unter Ärzt:innen und Führungskräften für Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen“ zeigt: Sowohl unter den befragten Ärzt:innen als auch unter den Führungskräften stimmte eine große Mehrheit (80–90%) zu, dass sie sich persönlich in der Verantwortung sehen, einen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels zu leisten. Allerdings ist das Gefühl verbreitet, in diesen Bemühungen von Kolleg:innen nicht ausreichend unterstützt zu werden (20%). Am deutlichsten zeigt sich diese Diskrepanz bei den Pädiater:innen (n=29).
Die Mehrheit (83%) hielt die Reduktion der Emissionen im Gesundheitssektor für eine wichtige Maßnahme und 80% der Befragten stimmten zu, dass eine qualitativ hochwertige Patient:innenversorgung mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit vereinbar ist. Dies ist vergleichbar mit einer Befragung von Anästhesist:innen an einem Universitätsklinikum in Deutschland, in der fast 89% der Befragten zustimmten, dass Mediziner:innen eine ethische Verantwortung dafür haben, Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu fördern und den Klimawandel zu bewältigen.5
Die Akzeptanz für die Transformation im Gesundheitswesen zeigt sich deutlich im Bereich der Überversorgung: 88% der Befragten bejahten, dass die Vermeidung nicht notwendiger Therapien personelle und ökologische Ressourcen schonen würde und 73% befürworteten eine finanzielle Belohnung von nachhaltigen Gesundheitseinrichtungen. Die Initiative Choosing Wisely bietet bereits konkrete Ansatzpunkte für Ärzt:innen und Gesundheitseinrichtungen, um Überversorgung auch zum Wohl der Patient:innen zu reduzieren.6
Regional zeigten sich teils deutliche Unterschiede (siehe Abb. 2). So wurde die eigene Verantwortung und die Wichtigkeit von Klimaschutz in der eigenen Einrichtung von Teilnehmenden in den östlichen Bundesländern geringer eingeschätzt als in den nördlichen, westlichen und südlichen Bundesländern.
Gesundheitseinrichtungen als Arbeitsplatz: Klimaschutz und Nachhaltigkeit als Führungsaufgabe
Nur 15% der Führungskräfte in Kliniken gab an, dass Maßnahmen zur Stärkung der Klimaresilienz in der betrieblichen Gesundheitsförderung der eigenen Einrichtung berücksichtigt werden. Gerade Gesundheitseinrichtungen könnten die Auswirkungen des Klimawandels auf den Arbeitsschutz stärker berücksichtigen, welche sich in vielen Branchen immer deutlicher bemerkbar machen, eine Vorreiterrolle einnehmen und zukunftsfähige arbeitsmedizinische Ansätze etablieren. Überraschenderweise gab ein erheblicher Anteil der Befragten auf Führungsebene an, nicht zu wissen, ob Maßnahmen zur Stärkung der Klimaresilienz in ihrer Einrichtung umgesetzt werden. Dies zeigt, dass Klima- und Nachhaltigkeitsaspekte in der strategischen Arbeit ungenügend verankert sind oder gegebenenfalls lediglich als Aufgabe einzelner Verantwortlicher behandelt werden.
Besonders wenige Führungskräfte in Kliniken (4%) und keine einzige der Führungskräfte in MVZ bejahten, dass Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Stellenausschreibungen ihrer Einrichtung verankert sind. Der National Health Service (NHS) in England und Wales schreibt seit Juni 2022 vor, dass jede öffentliche Gesundheitseinrichtung eine Führungskraft hat, die verantwortlich dafür ist, dass die Klimaneutralität der Einrichtung erreicht wird. Gleichzeitig wird aber betont, dass das Umsetzen der dazu notwendigen Maßnahmen die Verantwortung aller Beschäftigten des NHS ist, weshalb nachhaltige Gesundheitsversorgung in der Ausbildung aller Gesundheitsberufe verankert werden soll.7 In unserer Umfrage war dies noch kaum der Fall. Nur 20% der Führungskräfte in Kliniken und 36% der Führungskräfte in MVZ gaben an, dass Klimaschutz und Nachhaltigkeit Teil des Aus- und Weiterbildungskonzeptes der Mitarbeitenden ist.
Bedeutend für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen ist aber auch eine klare Führungs- und Aufgabenverteilung. Gut die Hälfte der teilnehmenden Führungskräfte und fast Dreiviertel der teilnehmenden Ärzt:innen gaben an, dass es in ihrer Einrichtung keine Mitarbeitenden (wie z.B. Klimamanager:innen) gibt, die für die Umsetzung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit verantwortlich sind. Diese fehlenden Verantwortlichkeiten wurden auch von mehr als der Hälfte der Ärzt:innen und fast 70% der Führungskräfte als Hindernis für die Umsetzung von Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsmaßnahmen identifiziert.
Fehlende Klimamanger:innen sind dabei nicht unbedingt eine finanzielle Frage. Energieeinsparmaßnahmen können mit einer erheblichen Kosteneinsparung einhergehen. Es gibt sowohl zivilgesellschaftliche Initiativen für deren Ausbildung als auch die Möglichkeit für öffentliche und freigemeinnützige Kliniken, Förderung im Rahmen des Maßnahmenprogramms der Bundesregierung von bis zu 60% der Stellen zu beantragen.8 Außerdem gibt es Förderung von bis zu 70% — in finanzschwachen Kommunen oder für Antragsstellende aus Braunkohlerevieren sogar bis zu 90% — für eine zusätzliche Personalstelle oder einen externen Dienstleister im Bereich Energiemangement.9 Auch das neue Programm KLIK Green+ bietet Möglichkeiten für bereits etablierte und zukünftige Klimamanager:innen zur Qualifizierung und Vernetzung.10 Eine Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts zeigte jüngst, dass über die Hälfte der Krankenhäuser, die Kenntnisse über nationale Klimaschutzförderprogramme haben, diese nicht in Anspruch nehmen.11 Entscheidend ist also nicht nur, welche zusätzlichen Investitionen bereitgestellt werden, sondern wie Führungskräfte bestehende Gestaltungsmöglichkeiten besser nutzen können.
Flächendeckende und regelmäßige Erfassung der Emissionen notwendig
Unsere Umfrage offenbart Unwissen über den Stand der Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsstrategien sowie deren Maßnahmen bei vielen Führungskräften in Kliniken und MVZ. So gab fast die Hälfte der Führungskräfte an, nicht zu wissen, ob Emissionen in ihrer Einrichtung erfasst werden (Abb. 3). Ein Großteil von ihnen sagt selbst, dass Umsetzungsstrategien für Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsziele noch nicht definiert wurden. Nur eine einzige Führungskraft bestätigte, dass ihre Einrichtung die eigenen Emissionen jährlich einschließlich Scope 1, Scope 2 und Scope 3 Emissionen erfasst. Dies bestätigt das Ergebnis der Umfrage von Economist Impact, in der lediglich 2% der befragten Ärzt:innen und Pflegefachkräfte angaben, dass ihre Klinik einen Dekarbonisierungs- oder Nachhaltigkeitsplan mit einem klaren Klimaneutralitätsziel hatte.12 Von den teilnehmenden Führungskräften unserer Umfrage fanden 20%, dass die Erfassung der Emissionen der eigenen Einrichtungen keinen Nutzen hätte, von den teilnehmenden Ärzt:innen fanden dies sogar knapp 40%, wobei dies vor allem die Meinung der niedergelassenen Ärzt:innen widerspiegelt. Von den teilnehmenden Ärzt:innen, die im Klinikbereich tätig sind, teilten nur knapp 8% diese Meinung. Ob diese Befragten den Anteil ihrer eigenen Einrichtung als irrelevant ansehen oder die Erfassung der Emissionen nicht als zielführend für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, bleibt offen.
Die Hälfte der MVZ-Leitungen und damit ein fast doppelt so hoher Anteil wie bei Klinikleitungen gab an, dass Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Qualitätsmanagement verankert sind. Bei der Beschaffung von Produkten werden Klimaschutz- und Nachhaltigkeitskriterien häufiger von niedergelassenen Ärzt:innen (54%) als in MVZ (39%) oder in Kliniken berücksichtigt (39% der Ärzt:innen in Kliniken, aber nur 24% der Klinikleitungen). Auch hier war die Unwissenheit bei Klinikleitungen mit 38% deutlich höher als MVZ-Leitungen (6%) und niedergelassenen Ärzt:innen (13%), was zum Teil wohl auch den wesentlich komplexeren Beschaffungsprozessen von Kliniken geschuldet ist. Auch Fragen zur Klimaresilienz in ihrer Einrichtung konnten viele nicht beantworten. So wussten fast ein Viertel der MVZ- und Klinikleitungen weder, ob die Gebäude und Infrastruktur ihrer Einrichtung auf Gefährdung (z.B. durch Hitze, Stürme, Fluten) und Schwachstellen analysiert werden, noch, ob Hitzeaktionspläne umgesetzt werden. Eine strategische Vorausschau auf klimawandelbedingte Systemschocks wie Extremwetterereignisse sind für Entscheidungstragende im Gesundheitswesen nur dann machbar, wenn sie wissen, inwiefern die vorhandenen Infrastrukturen und die Gebäudesubstanz der Gesundheitseinrichtungen Hitze, Flut und/ oder Stürme resilient bewältigen können.
Hohe Unwissenheit unter Führungskräften über Handlungsspielräume für Nachhaltigkeit und Klimaschutz
Ob das Fehlen ausreichender finanzieller Mittel ein Hindernis zur Umsetzung von Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Arbeitsalltag darstellt, wurde von den Führungskräften in unserer Umfrage sehr unterschiedlich eingeschätzt. 68% der Klinikleitungen identifizierten dies als Hindernis im Gegensatz zu 39% der MVZLeitungen. Hier stellt sich die Frage, ob für die bei Kliniken zusätzlich anfallenden finanziellen Bedarfe (wie z.B. Investitionen in Gebäudesanierung) bestehende finanzielle Möglichkeiten nicht ausgeschöpft werden oder, ob das Fehlen finanzieller Mittel als größeres Hindernis wahrgenommen wird, als es in Bezug auf viele Klimaschutzmaßnahmen ist.
Sowohl die Mehrheit der Ärzt:innen als auch der Führungskräfte bestätigte, dass die Mitarbeitenden in ihrer Einrichtung nicht über genügend Wissen und Fähigkeiten zur Umsetzung von Nachhaltigkeits- und Umweltschutzmaßnahmen verfügten.
Ähnliche Ergebnisse zeigte eine Umfrage unter niedergelassenen Ärzt:innen aus dem Jahr 2021, in der 70% der Befragten sich nicht ausreichend informiert und/oder von Berufsverbänden in der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen in der Praxis unterstützt fühlten.13 Etwas weniger, aber immer noch fast die Hälfte der teilnehmenden Ärzt:innen der ersten Umfrage, die wir im Mai 2022 durchführten, gaben an, Fort- und Weiterbildungen für sich und Mitarbeitende zum Thema Klima und Gesundheit zu benötigen.1 Dies ist ein klarer Handlungsauftrag für medizinische Fachgesellschaften und Kammern.
Deutliche Unterschiede zeigten sich in der Berücksichtigung von fachspezifischen Klimaschutz und ‑anpassungsaspekten zwischen den Fachgebieten der teilnehmenden Ärzt:inneni (siehe Abb. 4).
Die Unterschiede lassen sich zum Teil damit erklären, dass sich einzelne Fachgesellschaften bereits mit umwelt- und klimarelevanten Themen auseinandersetzen. Betonenswert sind die Kongressthemen, Stellungnahmen und Handlungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ), der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI), des Berufsverband Deutscher Anästhesisten e.V. (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde zum Thema Klimawandel und Gesundheit.14,15,16,17,18
i Der fachmedizinische Hintergrund der Führungskräfte wurde nicht abgefragt, daher beziehen sich diese Zahlen nur auf die teilnehmenden Ärzt:innen.
Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger:innen im Gesundheitswesen
1. Treibhausgasemissionen der gesamten Gesundheitswirtschaft erfassen und systematisch reduzieren
Wie in anderen Sektoren sollte es auch für den Gesundheitssektor ein nahes Klimaneutralitätsziel geben inklusive eines Umsetzungsplans mit klaren Vorgaben zur Berechnung und Reduzierung von Scope 1, Scope 2 und Scope 3 Emissionen, an dem sich der ganze Sektor orientieren und messen (lassen) kann.
2. Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Resilienz sind Führungsaufgaben
Jede Einrichtungsleitung sollte wissen, ob Klimaschutz-/Nachhaltigkeitsziele und ‑strategien für die eigene Einrichtung vorliegen. Falls nicht, sollten Verantwortliche benannt werden, die diese partizipativ entwickeln. Um Resilienz insbesondere gegenüber Extremwetterereignissen zu stärken, könnten Gefährdungsanalysen hilfreich sein. Insbesondere Hitzeschutzpläne sollten von jeder Einrichtung entwickelt und allen Mitarbeitenden bekannt sein. Wo finanziell Investitionen notwendig sind, braucht es eine leicht zu navigierende Übersicht über Fördermöglichkeiten für Gesundheitseinrichtungen, die eine rasche Transformation des gesamten Sektors ermöglichen würden.
3. Klima- und umweltrelevante fachspezifische Informationen durch Aus- und Weiterbildung verbreiten
Während das Bewusstsein über die gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise in der Ärzt:innenschaft wächst, bedarf es mehr Informationen darüber, welche Bereiche der Gesundheitswirtschaft welchen Anteil an Emissionen sowie anderen Umweltauswirkungen produzieren. Klimamanager:innen können diese Aufklärungsarbeit vorantreiben und die verschiedenen Aspekte des Dekarbonisierungsprozesses koordinieren und überblicken. Landesärztekammern sollten in ihrer Rolle als Agenda-Setter genauer hinterfragen, welche Gründe es für die in unserer Umfrage beobachtete geringere Handlungsbereitschaft in den östlichen Bundesländern geben und wie diese erhöht werden könnte.
4. Ressourcenschonendere Gesundheitsversorgung ermöglichen
Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern werden in Deutschland noch immer viele Eingriffe und Behandlungen vollstationär durchgeführt, die mit ebenso guter Qualität und Therapieerfolg ambulant oder teilstationär durchgeführt werden könnten. Ein dahingehender Reformvorschlag der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung ist daher begrüßenswert und sollte auch den Aspekt der Ressourcenschonung berücksichtigen.19
Stiftung Gesundheit
Wissen ist die beste Medizin – angespornt von diesem Gedanken setzt sich die Stiftung Gesundheit mit Sitz in Hamburg bundesweit und unabhängig seit mehr als 25 Jahren für Transparenz und Orientierung im Gesundheitswesen ein. Neben ihren satzungsgemäßen Aufgaben führt die Stiftung Gesundheit kontinuierlich Studien durch, wie etwa seit 2005 die Studienreihe „Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit“. Dabei erfasst die Stiftung Stimmung, Meinungen und Erfahrungen der Ärzteschaft und liefert Forschungsergebnisse zu aktuellen Fragestellungen. Als Basis für zahlreiche Services dient das Strukturverzeichnis der medizinischen Versorgung, das die Stiftung mit großer Sorgfalt aktuell hält. Ebenso nutzen zahlreiche Lizenzpartner das Strukturverzeichnis – darunter Medienunternehmen, gesetzliche und private Krankenversicherungen, Bundesbehörden und Forschungseinrichtungen.
Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V.
Die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG) ist ein 2017 gegründeter Zusammenschluss von Einzelpersonen und Organisationen aus dem Gesundheitsbereich. Ziel des Vereins ist es, deutlich zu machen, welche weitreichenden Folgen der Klimawandel auf die Gesundheit hat. Die Gesundheitsberufe sollen deshalb zu Akteuren der notwendigen gesamtgesellschaftlichen Transformation werden und außerdem dazu beitragen, dass der ökologische Fußabdruck des Gesundheitssystems gesenkt wird, um die Erderwärmung zu begrenzen. Dazu vernetzen sich die Akteure quer zu Sektoren und Hierarchien in der gesamten Gesellschaft und werden insbesondere auf kommunaler und lokaler Ebene in ihrem Umfeld aktiv. Klimaschutz und Abmilderung (Mitigation) der Folgen der Erderwärmung müssen in Forschung, Aus- und Weiterbildung integriert bzw. verstärkt werden.
Literaturverzeichnis
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- Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung (2022). Zweite Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerecht Krankenhausversorgung. Online verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Krankenhausreform/BMG_REGKOM_Bericht_II_2022.pdf
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Baltruks D., Mezger N.C.S., Schulz C.M., Voss M. (2022).
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