In Europa ist Luftverschmutzung jährlich für etwa eine halbe Million vorzeitige Todesfälle verantwortlich und begünstigt nichtübertragbare Krankheiten von Schlaganfällen über Demenz bis hin zu Lungenkrebs. Basierend auf dem neusten Forschungsstand veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2021 neue Empfehlungen für Luftqualitätsrichtwerte, die deutlich unter den derzeit in der EU geltenden liegen. Die Europäische Kommission schlug im Oktober 2022 eine Überarbeitung der Luftqualitätsrichtlinie vor, die sich an den neuen Empfehlungen der WHO orientiert. Am 13. September 2023 stimmte das Europäische Parlament dem Vorschlag der Kommission zu, allerdings mit einer Angleichung an die WHO-Richtlinien fünf Jahre später, also erst bis zum Jahr 2035. Nun liegt der Entwurf dem Europäischen Rat vor, welcher am 18. Dezember 2023 darüber abstimmen wird.
Vor diesem Hintergrund, lud das CPHP im Rahmen einer Kooperation mit dem Clean Air Fund Expert:innen aus dem Umwelt- und Gesundheitssektor zu einer Diskussionsrunde am 24. Oktober ein. Gemeinsam wurde der aktuelle Stand der politischen Debatte zur Überarbeitung der Luftqualitätsrichtlinie auf EU-Ebene und in Deutschland reflektiert. Dabei wurde auf Basis der öffentlichen Expert:innenanhörung des Umweltausschusses des Bundestages, die am 27. September stattfand, die Positionen und Argumentationen der demokratischen Parteien sowie Expert:innen aus Industrie, Gesundheitswissenschaften und Umweltverbänden aufgearbeitet.
Deutschlands Unterstützung für die aktualisierte Luftqualitätsrichtlinie hätte wichtige Signalwirkung
Die Positionierung der deutschen Bundesregierung im Europäischen Rat, so waren sich die Teilnehmenden einig, wird nicht nur die Einigung zur Luftqualitätsrichtlinie wichtig sein, sondern hat eine wichtige Signalwirkung für andere Mitgliedsstaaten. Die erfolgreiche Reduzierung der meisten Luftschadstoffe in den letzten Jahrzehnten sowie die Maßnahmen, die zur Erreichung der Klimaziele geplant sind, könnten Grundlage für eine Vorreiterrolle Deutschlands in Sachen Luftqualität sein. Dies scheint jedoch insbesondere durch vermeintliche Nachteile für die Industrie und die Automobilbranche geschwächt zu werden, sodass die Regierung sich bislang noch nicht klar positioniert hat.
Die Diskussionsrunde beriet vor diesem Hintergrund, wie die klare Evidenz zu Gesundheitsvorteilen sowie wirtschaftlichen Einsparungen durch bessere Luftqualität in den Vordergrund der Debatte gestellt werden und eine sachliche Diskussion über mögliche Maßnahmen zur Erreichung dieser Gewinne vorangebracht werden kann. Das CPHP wird in den kommenden Wochen und Monaten weiter mit dem Clean Air Fund und Partner:innen die Verhandlungen zur Luftqualitätsrichtlinie verfolgen und mit Entscheidungstragenden den Dialog suchen.
Expertin und Ansprechpartnerin zum Thema Luftqualität beim CPHP ist Dorothea Baltruks.
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