Der Klimawandel verstärkt Arbeitsschutzrisiken und neue kommen hinzu. Welche das sind und welche Handlungsoptionen es gibt, zeigt das neue Gutachten zu Klimawandel und Gesundheit – Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Maike Voss, Direktorin des Centre for Planetary Health Policy (CPHP), stellt hier die wichtigsten Ergebnisse vor. Sie ist zusammen mit Dr. Stefanie Bühn von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) Autorin des Gutachtens.
Das Centre for Planetary Health Policy (CPHP) und die deutsche Allianz für Klimawandel und Gesundheit (KLUG) haben im Auftrag des Bundesministeriums das Gutachten “Klimawandel und Gesundheit — Auswirkungen auf die Arbeitswelt” verfasst.
Was sind für Sie die wichtigsten Erkenntnisse, insbesondere im Bereich Hitzeschutz?
Das Gutachten zeigt: Der Klimawandel hat schon heute massive Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit von Menschen an ihren Arbeitsplätzen. Der Klimawandel wirkt dabei doppelt: Zum einen können neue Arbeitsschutzrisiken auftreten, zum anderen können sich die bestehenden intensiveren und häufen. Da geht es zum Beispiel um die Auswirkungen von Ozon, UV-Strahlung und Extremwettereignissen. Aber auch Allergiezeiträume verschieben und verlängern sich und wir sehen neue übertragbare Krankheiten.
Wenn wir spezifisch auf Hitze schauen, kann diese ein direktes Risiko sein, denn Hitzschläge können tödlich enden. Aber Hitze kann auch indirekt wirken, denn sie erhöht das Risiko für Arbeitsunfälle, zum Beispiel durch verschwitzte Hände, verminderte Konzentration oder beschlagene Brillengläser. Und das wird sich noch weiter verstärken: Die Jahre 2022 bis 2026 sollen laut der Weltorganisation für Meteorologie die heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen werden. Man kann sagen: Hitze bedroht nicht mehr nur den Eisbären auf der Scholle, sondern betrifft uns alle. Umso wichtiger ist es, dass das Thema jetzt und hier besondere Aufmerksamkeit in den Betrieben bekommt.
Das Gutachten identifiziert besonders gefährdete Gruppen. Über wen sprechen wir hier und wie können wir diese Gruppen schützen — zusammen mit Politik, Betrieben und Gesundheitsversorgern?
Wichtig ist es, anzuerkennen, dass alle betroffen sind – wir brauchen überall Hitzeschutz. Aber eben auch spezifische Schutzkonzepte für besonders vulnerable Gruppen. Das sind zum Beispiel Menschen mit Vorerkrankungen, Schwangere, Menschen, die im Freien schwer körperlich arbeiten, Menschen ab dem 65. Lebensjahr, Menschen, die bestimmte Medikamente nehmen oder Menschen mit Behinderungen. Besonders betroffen sind auch Wanderarbeitende, die häufig draußen arbeiten, beispielsweise in der Landwirtschaft, und Schichtarbeitende, deren Körper in Tropennächten, also ab 20 Grad nachts, stark belastet werden, da sie nicht mehr runterkühlen können. Wir müssen aber nicht nur auf die Menschen schauen, sondern auch auf die Arbeitsumgebung. In Deutschland sind wir gut darin, die Kälte aus Gebäuden rauszuhalten, aber bislang nicht, die Hitze rauszubekommen. Wir brauchen also breite Konzepte für die 42 Millionen Menschen, die in Deutschland sozialversicherungspflichtig oder geringfügig beschäftigt sind.
Welche konkreten Ansätze ergeben sich für Sie aus dem Gutachten für Betriebe, Kommunen und Organisationen?
Man kann beim Klimaschutz anfangen und Emissionen im Betrieb reduzieren – beim Fuhrpark, beim Strom, bei der Verpflegung in der Kantine oder indem wir Mitarbeitende motivieren und Anreize setzen, zu Fuß oder mit dem Rad zur Arbeit zu kommen. All das schützt und fördert die Gesundheit der Mitarbeitenden, indem es die Risiken des Klimawandels an der Quelle angeht.
Im Gutachten haben wir uns vor allem das betriebliche Gesundheitsmanagement, den Arbeitsschutz, betriebliche Gesundheitsförderung und ‑prävention sowie das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement angeschaut – dort gibt es überall Ansatzpunkte. Man muss das Rad nicht neu erfinden, sondern kann das nutzen, was in den Betrieben schon da ist. Im ersten Schritt geht es darum, das Thema auf die Agenda zu setzen und darüber zu sprechen. Im Bereich Arbeitsschutz sind Arbeitgebende schon verpflichtet, Klimarisiken mitzudenken, das wird nur noch nicht so häufig gemacht. Wichtig ist, sich Mehrfachbelastungen anzuschauen – Luftverschmutzung wie Feinstaubbelastung und Hitze potenzieren sich gegenseitig. Grundsätzlich ist ein Zusammenspiel von Akteuren, wie den Betriebskrankenkassen, der Rentenversicherung, den Berufsgenossenschaften und Sozialpartnern entscheidend, um gemeinsam Programme und Unterstützung für Betriebe aufzusetzen.
Das Gutachten deutet auch auf kommunikative Defizite hin. So fühlt sich etwa die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend über die gesundheitlichen gefahren des Klimawandels informiert. Was müssen hier die nächsten Schritte sein?
Eines der größten Probleme im Klimaschutz, ist die Akzeptanz von Maßnahmen – Windkraft ja gerne, aber nicht in meinem Garten. Davon müssen wir wegkommen. Weder die Risiken durch den Klimawandel, noch die Chancen, die Klimaschutz und Klimaanpassung mit sich bringen, werden zurzeit ausreichend kommuniziert. Gleichzeitig ist die Unterstützung für Klimaschutz und ‑anpassung in der Bevölkerung vorhanden, wird jedoch von Seiten der Politik oft unterschätzt. Betriebliche Strukturen bieten gute Ansatzpunkte, um Beschäftigte über die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels zu informieren und dann gemeinsam kontextspezifische Maßnahmen zu entwickeln. Gesundheitsakteure genießen hohes Vertrauen in der Gesellschaft. Über Betriebsärzte und ‑ärztinnen lassen sich die Zusammenhänge von Gesundheit und Klimawandel gut kommunizieren. Beschäftigte im betrieblichen Gesundheitsmanagement darin zu schulen, auch Klimakommunikation zu übernehmen, ist eine entscheidende Maßnahme. Wichtig ist auch, nicht nur auf den Risiken rumzureiten, sondern positive Visionen zu schaffen: Wie wollen wir arbeiten? Wie wollen wir leben in unserer nahen Umgebung und in naher Zukunft? Und wie kommen wir da hin?
Wann sollten Unternehmen mit den Vorbereitungen beginnen und wie können diese aussehen?
Es ist nie zu spät anzufangen – am besten jetzt. Und alles, was wir jetzt umsetzen, hilft auch für die kommenden Jahre. Es kann sehr gut sein, dass wir von Juni bis September mehrere heiße Hitzeperioden bekommen und wir sind aktuell nicht ausreichend vorbereitet. Es gibt einfache Maßnahmen wie Beschattung, Kühlung von Räumen, Verlagerung von Arbeitsplätzen in kühlere Räume, Bereitstellen von Getränken und die Anpassung der Arbeitszeit.
Zusammenfassen kann man solche Aktivitäten in Hitzeaktionsplänen. Man überlegt sich: Was machen wir, wenn es richtig heiß wird? Und wer ist dann verantwortlich? Am besten ist das eine Person mit Führungsverantwortung, denn Klimaschutz ist immer auch Führungsaufgabe.
Für die Umsetzung können auch Hitzeaktionsbündnisse innerbetrieblich und zusammen mit anderen Akteuren hilfreich sein, um gemeinsam Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Doch das Problem ist, dass viele Betriebe für die gesundheitlichen Auswirkungen von Hitze weder sensibilisiert noch informiert noch auf die gesundheitlichen Risiken vorbereitet sind.
Wir sehen, dass gerade für kleine und mittelständische Betriebe große Hitzeaktionspläne eine echte Herausforderung darstellen. Aber auch dort kann man im Betrieb thematisieren, was gebraucht wird, wenn es heiß wird? Aktuell gibt es leider noch keinen Musteraktionsplan für Betriebe, den man individuell anpassen kann. Das muss dringend als nächstes entwickelt werden. Allerdings gibt es bereits viele hilfreiche Informationen, zum Beispiel auf www.hitze.info.
Die Fragen stellte Mischka Walten.
Das Interview wurde zuerst auf der Seite des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlicht und ist hier zu finden.