Nach­hal­tig­keit im Arz­nei­mit­tel­we­sen stär­ken

Doro­thea Baltruksa, Maren Sowab, Mai­ke Vossa,*

a) Cent­re for Pla­ne­ta­ry Health Poli­cy, Ber­lin
b) Maren Sowa ist wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin und Dok­to­ran­din am Lehr­stuhl für

Bür­ger­li­ches Recht, Medi­zin- und Gesund­heits­recht von Prof. Dr. Jens Prüt­ting.
Die­ser lei­tet als geschäfts­füh­ren­der Direk­tor das Insti­tut für Medi­zin­recht an der Buce­ri­us Law School
*Autor:innen in alpha­be­ti­scher Rei­hen­fol­ge

Wir bedan­ken uns für die freund­li­che Unter­stüt­zung bei Robert Schulz, Anja Leetz und Esther Luh­mann.

Poli­cy-Brief 01–2023
DOI: 10.5281/zenodo.7503601

Die Aus­wir­kun­gen der Kli­ma­kri­se auf unser Wohl­erge­hen und unse­re Gesund­heit wer­den mit jeder Hit­ze­wel­le, jedem Extrem­wet­ter­er­eig­nis und jeder Dür­re­pe­ri­ode deut­li­cher. Doch auch ande­re durch mensch­li­che Akti­vi­tä­ten ver­ur­sach­te Umwelt­schä­den haben direk­te und indi­rek­te Aus­wir­kun­gen auf unse­re Gesund­heit. Vor allem der dra­ma­ti­sche Bio­di­ver­si­täts­ver­lust sowie die Ver­schmut­zung von Gewäs­sern, Luft und Böden haben längst ein gefähr­li­ches Maß erreicht.1 Gesund­heits­schutz ist also nicht nur in der Gesund­heits­po­li­tik anzu­sie­deln, eben­so wie Umwelt­schutz weit über die Umwelt­po­li­tik hin­aus ver­bes­sert wer­den muss.

Das Arz­nei­mit­tel­we­sen nimmt auf der einen Sei­te mit sei­nen wich­ti­gen gesund­heits­schüt­zen­den und ‑för­dern­den Pro­duk­ten eine essen­zi­el­le Rol­le in der gesund­heit­li­chen Ver­sor­gung ein. Auf der ande­ren Sei­te trägt es durch sei­ne che­mi­ka­li­en­in­ten­si­ve Pro­duk­ti­on erheb­lich zu Umwelt- und Kli­ma­be­las­tun­gen bei, die wie­der­um unse­rer Gesund­heit und unse­ren Lebens­grund­la­gen scha­den. In die­sem Poli­cy Brief stel­len wir die­se Pro­ble­ma­tik dar und zei­gen auf, mit wel­chen recht­li­chen Hebeln die Umwelt- und Kli­ma­bi­lanz des Sek­tors ver­bes­sert wer­den kann. Als beson­ders wir­kungs­vol­le Hebel gilt eine zulas­sungs­re­le­van­te Umwelt­ri­si­ko­prü­fung für Human­arz­nei­mit­tel; die ver­pflich­ten­de Berück­sich­ti­gung von Nach­hal­tig­keits­kri­te­ri­en in der Aus­schrei­bung für Arz­nei­mit­tel; die Ein­be­zie­hung von sowohl Treib­haus­gas­emis­sio­nen als auch Aus­wir­kun­gen auf die Bio­di­ver­si­tät in das Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz; trans­pa­ren­te, zugäng­li­che Daten zu den Kli­ma- und Umwelt­aus­wir­kun­gen von Neu- und Alt­arz­nei­mit­teln; die Reduk­ti­on von Ver­schwen­dung und unsach­ge­mä­ßer Ent­sor­gung; die För­de­rung von Gene­ri­ka­pro­duk­ti­on in Euro­pa; sowie Aus- und Wei­ter­bil­dun­gen für Pharmazeut:innen im Hin­blick auf Umwelt­schutz und Nach­hal­tig­keit.

Umwelt­bi­lanz des Arz­nei­mit­tel­we­sens

Etwa 5% der Treib­haus­gas­emis­sio­nen Deutsch­lands ent­ste­hen im Gesund­heits­sek­tor.2 Eine genaue Erfas­sung der durch den Phar­ma­sek­tor ver­ur­sach­ten Bei­trä­ge fehlt jedoch bis­lang. Einen Ori­en­tie­rungs­wert bie­ten Berech­nun­gen ande­rer Län­der wie Eng­land oder Öster­reich, wel­che zei­gen, dass phar­ma­zeu­ti­sche Pro­duk­te 20% der Emis­sio­nen im Gesund­heits­we­sen aus­ma­chen.3, 4 Glo­bal gese­hen ist damit die phar­ma­zeu­ti­sche Indus­trie für mehr Emis­sio­nen ver­ant­wort­lich als die Auto­mo­bil­in­dus­trie.5 Wäh­rend ein inter­na­tio­na­les Bünd­nis von Phar­ma- und Biotech­kon­zer­nen sich im Novem­ber 2022 dafür aus­sprach, Emis­sio­nen in den Lie­fer­ket­ten als Teil eines „Acti­va­te pro­gram“ zu redu­zie­ren, fokus­sie­ren sich kon­kre­te Maß­nah­men vor­erst auf den Umstieg auf erneu­er­ba­re Ener­gien in der Strom­ver­sor­gung und umwelt­freund­li­che­re Trans­port­we­ge.6 Die Bera­tungs­fir­ma EcoAct berich­te­te 2021, dass 75% der bör­sen­no­tier­ten bio­phar­ma­zeu­ti­schen Unter­neh­men im glei­chen Jahr ihre Scope 1 und Scope 2 Emis­sio­nen und 50% ihrer Scope 3 Emis­sio­nen (wel­che den Groß­teil der Emis­sio­nen in die­sem Sek­tor aus­ma­chen) in Ein­klang mit der Ein­hal­tung des 1,5 Grad-Limits redu­ziert hat­ten (sie­he Abbil­dung 1).7

Neben den Treib­haus­gas­emis­sio­nen wir­ken sich auch Arz­nei­mit­tel­rück­stän­de – vor allem im Was­ser – sowohl auf die mensch­li­che Gesund­heit als auch die Umwelt, beschrie­ben als Öko­phar­ma­ko­vi­gi­lanz, aus. Einer Ana­ly­se des Umwelt­bun­des­am­tes (UBA) zufol­ge wur­den im Jahr 2016 bereits 16 phar­ma­zeu­ti­sche Wirk­stof­fe im Oberflächen‑, Grund- und Trink­was­ser aller Welt­re­gio­nen nach­ge­wie­sen, allen vor­an das Schmerz­mit­tel Diclo­phenac – die­ses oft in öko­to­xi­ko­lo­gisch rele­van­ten Kon­zen­tra­tio­nen.8 Ins­ge­samt wur­den in den unter­such­ten Regio­nen 631 Wirk­stof­fe gefun­den. Dabei bil­den die offi­zi­el­len Zah­len nur einen Teil der tat­säch­li­chen Was­ser­ver­un­rei­ni­gung ab, da in vie­len Tei­len der Welt kei­ne aus­rei­chen­den Mess­da­ten vor­lie­gen. Aus­wir­kun­gen auf die Umwelt ent­ste­hen dabei im gesam­ten Lebens­zy­klus eines Arz­nei­mit­tels, von der Ent­wick­lung, Pro­duk­ti­on über die Lie­fer­ket­te und die Ver­ab­rei­chung bis hin zur Ent­sor­gung. Human­arz­nei­mit­tel gelan­gen haupt­säch­lich durch die Aus­schei­dung sowie die unsach­ge­mä­ße Ent­sor­gung regel­mä­ßig in die Umwelt. Zwar wer­den die dar­aus resul­tie­ren­den Arz­nei­mit­tel­rück- stän­de im Was­ser und in den Böden bis­lang nicht als gesund­heits­ge­fähr­dend ein­ge­stuft, die Schä­den für die betref­fen­den Öko­sys­te­me sind jedoch erheb­lich und zum Teil noch nicht hin­rei­chend erforscht.9

Bei­spiel­haf­te Akti­vi­tä­ten in ande­ren Län­dern

In Eng­land erstellt der natio­na­le Gesund­heits­dienst (NHS) zur Errei­chung der Kli­ma­neu­tra­li­tät für sei­ne Zulie­fern­den einen kon­kre­ten Zeit­plan, der eine kon­ti­nu­ier­li­che Ver­schär­fung der Berichts- und Emis­si­ons­re­duk­ti­ons­pflich­ten von Her­stel­len­den vor­sieht, mit denen der NHS Ver­trä­ge hat bzw. in Zukunft schlie­ßen will.10

Nor­we­gen, Däne­mark und Island inte­grier­ten erst­mals Umwelt­kri­te­ri­en im Rah­men der gemein­sa­men Aus­schrei­bung und Beschaf­fung von Arz­nei­mit­teln, der „Joint Nor­dic Ten­de­ring Pro­ce­du­re“, die 2022 in die zwei­te Run­de ging. Dabei erhal­ten die Zulie­fern­den den Zuschlag, die Kri­te­ri­en wie eine Umwelt­zer­ti­fi­zie­rung, eine Beschrei­bung von Umwelt­richt­li­ni­en und ‑stra­te­gien oder einen umwelt­freund­li­chen Trans­port umset­zen.11 Eine sol­che Ein­be­zie­hung von Umwelt­kri­te­ri­en in Aus­schrei­bun­gen ist in Deutsch­land zwar mög­lich, es gilt jedoch in ers­ter Linie das Wirt­schaft­lich­keits­prin­zipi.

Die Regi­on Stock­holm in Schwe­den ent­wi­ckel­te zwi­schen 2017 und 2021 eine „Wise List“ von Arz­nei­mit­teln, die Ärzt:innen dazu befä­higt, bei gleich­wer­tig wirk­sa­men Pro­duk­ten das­je­ni­ge aus­zu­wäh­len, wel­ches die gerings­ten umwelt­schäd­li­chen Aus­wir­kun­gen hat.12

Auch in den USA sind Umwelt­ana­ly­sen bei Medi­ka­men­ten vor­ge­schrie­ben. Die Food and Drug Admi­nis­tra­ti­on (FDA) bezieht Umwelt­aus­wir­kun­gen bei der Zulas­sung neu­er Medi­ka­men­te ein und kann die­se auch wie­der ent­zie­hen, wenn neue Infor­ma­tio­nen zu Umwelt­schä­di­gun­gen eines Medi­ka­ments bekannt wer­den. Risi­ken des bei der Pro­duk­ti­on ent­ste­hen­den Abwas­sers für gefähr­de­te Tier­ar­ten und deren Lebens­räu­me müs­sen auch außer­halb der USA geprüft wer­den.13

Aktu­ell bie­ten in Deutsch­land und in der Euro­päi­schen Uni­on (EU) neue gesetz­li­che Initia­ti­ven und die der­zei­ti­ge Über­ar­bei­tung von bestehen­dem Recht das Poten­zi­al, die Regu­lie­rung von Umwelt­aus­wir­kun­gen des Arz­nei­mit­tel­sek­tors zu ver­bes­sern.

i Nach dem im SGB V ver­an­ker­ten Wirt­schaft­lich­keits­prin­zip dür­fen die gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen nur die Kos­ten für Leis­tun­gen über­neh­men, die aus­rei­chend, zweck­mä­ßig und wirt­schaft­lich – also am kos­ten­güns­tigs­ten – sind und das Maß des Not­wen­di­gen nicht über­schrei­ten.

Green Phar­ma­cy-Ansatz

Um Kli­ma­neu­tra­li­tät zu errei­chen und kon­se­quen­ten Umwelt­schutz zu betrei­ben, braucht es jedoch einen all­um­span­nen­den „Green Phar­ma­cy-Ansatz“.14 Die­ser sieht u.a. vor,

  • Umwelt­aspek­te im gesam­ten Lebens­zy­klus von allen Medi­zin­pro­duk­ten, also bereits im For­schungs- und Ent­wick­lungs­sta­di­um sowie bei der Ver­schrei­bung und Ent­sor­gung zu berück­sich­ti­gen.
  • neue Sub­stan­zen zu bevor­zu­gen, die bei glei­cher Qua­li­tät und Wirk­sam­keit bio­lo­gisch abbau­bar sind und bes­ser vom mensch­li­chen Kör­per absor­biert wer­den, um Aus­schei­dun­gen in die Umwelt zu redu­zie­ren.15

Der­zeit gel­ten­de Regu­lie­run­gen im deut­schen Arz­nei­mit­tel­we­sen

Bestre­bun­gen nach mehr Nach­hal­tig­keit und Umwelt­schutz im Arz­nei­mit­tel­we­sen gibt es bereits von vie­len Akteur:innen der Bran­che. Arzneimittelhersteller:innen, Großhändler:innen, Apotheker:innen und zahl­rei­che wei­te­re Betei­lig­te set­zen nicht zuletzt durch inter­na­tio­na­le Ver­hal­tens­ko­di­zes und Lieferant:innenverträge Nach­hal­tig­keits­zie­le in ihren Unter­neh­men um und enga­gie­ren sich damit bereits über das vor­ge­ge­be­ne Maß hin­aus. Um die Umwelt wir­kungs­voll vor der andau­ern­den Expo­si­ti­on von Arz­nei­mit­teln zu schüt­zen, darf jedoch nicht allein auf frei­wil­li­ges Enga­ge­ment gesetzt wer­den. Es bedarf viel­mehr recht­li­cher Rah­men­be­din­gun­gen, die Inno­va­tio­nen zu mehr Nach­hal­tig­keit im Phar­ma­zie­sek­tor vor­an- trei­ben. Vor die­sem Hin­ter­grund lohnt sich ein Blick auf die der­zei­ti­ge Rechts­la­ge im Arz­nei­mit­tel­recht, um Schwach­stel­len auf­zu­de­cken und Anknüp­fungs­punk­te für die gesetz­li­che Ver­an­ke­rung von Nach­hal­tig­keit und Umwelt­schutz zu iden­ti­fi­zie­ren.

Umwelt­schutz in der Neu­zu­las­sung: Ein zahn­lo­ser Tiger

Neben der erwünsch­ten Wir­kung haben phar­ma­ko­lo­gisch wir­ken­de Stof­fe häu­fig eine Umwelt­re­le­vanz.9 Daher sind bei der Bean­tra­gung einer Arz­nei­mit­tel­zu­las­sung bei der Euro­päi­schen Arz­nei­mit­tel­agen­tur oder dem Bun­des­in­sti­tut für Arz­nei­mit­tel und Medi­zin­pro­duk­te (BfArM)Unterlagen vor­zu­le­gen, anhand derer eine Bewer­tung mög­li­cher Umwelt­ri­si­ken vor­ge­nom­men wird.16 Die­se Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fung sieht das Arz­nei­mit­tel­recht für Tier­arz­nei­mit­tel seit 1998 und für Human­arz­nei­mit­tel seit 2006 zwin­gend vor. Geprüft wer­den dabei mög­li­che uner­wünsch­te Aus­wir­kun­gen auf die Umwelt.17 Wer­den solch nega­ti­ve Umwelt­aus­wir­kun­gen fest­ge­stellt, folgt dar­aus jedoch für Tier­arz­nei­mit­tel und Human­arz­nei­mit­tel Unter­schied­li­ches: Wäh­rend die Zulas­sung eines Tier­arz­nei­mit­tels ver­sagt wer­den kann, blei­ben uner­wünsch­te Umwelt­ri­si­ken für die Zulas­sung von Human­arz­nei­mit­teln wei­test­ge­hend fol­gen­los.

Daher flie­ßen nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Umwelt nicht in die für die Zulas­sung durch­zu­füh­ren­de Nut­zen-Risi­ko-Abwä­gung ein18 und Antrag­stel­len­de haben bei aus­ge­mach­ten Umwelt­ri­si­ken bei der Zulas­sungs­be­an­tra­gung ledig­lich Anga­ben zur Ver­mei­dung die­ser Gefah­ren bei­zu­fü­gen,19 etwa durch Hin­wei­se in den Pro­dukt­in­for­ma­tio­nen, jedoch ohne Kon­se­quenz für die Zulas­sung des Arz­nei­mit­tels. Inwie­fern Anwen­dungs- und Ent­sor­gungs­hin­wei­se zum Zweck des Umwelt­schut­zes in den Packungs­bei­la­gen von Verbraucher:innen berück­sich­tigt wer­den, ist bis­her nicht unter­sucht wor­den.

Als zustän­di­ge Behör­de für die Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fung bei der Neu­zu­las­sung von Medi­ka­men­ten for­dert das UBA seit Jah­ren mehr Ver­bind­lich­keit und Trans­pa­renz in der Regu­lie­rung von umwelt­re­le­van­ten Aus­wir­kun­gen der Arz­nei­mit­tel­in­dus­trie. Kon­kret for­dert das UBA, dass20

  • die Umwelt­ri­si­ko­prü­fung gestärkt und durch ver­pflich­ten­de Risi­ko­mi­ti­ga­ti­ons­maß­nah­men ergänzt wird;
  • die Umwelt­aus­wir­kun­gen der phar­ma­zeu­ti­schen Indus­trie in allen rele­van­ten Regu­la­ri­en und Stra­te­gien in einem ein­heit­li­chen Rechts­rah­men gere­gelt wer­den;
  • ein­heit­li­che Pro­duk­ti­ons­stan­dards inklu­si­ve Treib­haus­gas­emis­si­ons­grenz­wer­te, die von unab­hän­gi­gen Inspektor:innen kon­trol­liert wer­den kön­nen, ein­ge­führt wer­den.

Alt­arz­nei­mit­tel ohne nach­träg­li­che Umwelt­prü­fung

Neben der feh­len­den Berück­sich­ti­gung von Umwelt­aus­wir­kun­gen in der Neu­zu­las­sung man­gelt es bei Phar­ma­zeu­ti­ka, die vor der obli­ga­to­ri­schen Durch­füh­rung der Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fung 2006 zuge­las­sen wur­den, häu­fig an belast­ba­ren Daten zur Umwelt­bi­lanz (sie­he Abbil­dung 2). Die­se „Alt­arz­nei­mit­tel“ müs­sen kei­ne nach­träg­li­che Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fung durch­lau­fen. Zwar besteht bereits ein Sys­tem zur Erfas­sung von Ände­run­gen des Nut­zen-Risi­ko-Ver­hält­nis­ses,21 das soge­nann­te Phar­ma­ko­vi­gi­lanz-Sys­tem. Aller­dings wer­den uner­wünsch­te Umwelt­aus­wir­kun­gen dar­in noch nicht erfasst.

Das unge­nutz­te Poten­ti­al des Che­mi­ka­li­en­rechts

Die auf­ge­zeig­ten Lücken des Arz­nei­mit­tel­rechts wer­den zudem nicht durch ande­re Rechts­vor­schrif­ten geschlos­sen, um Umwelt­ri­si­ken in recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen zu berück­sich­ti­gen. Die REACH-Ver­ord­nungii schreibt zwar vor, dass Her­stel­len­de und Impor­tie­ren­de von Che­mi­ka­li­en Umwelt- und Gesund­heits­ri­si­ken selbst bewer­ten und ent­spre­chen­de Daten der Euro­päi­schen Che­mi­ka­li­en­agen­tur bei Regis­trie­rung des che­mi­schen Stof­fes vor­le­gen müs­sen. Aller­dings fin­det die Umwelt­prü­fung auf Grund­la­ge der­REACH-Ver­ord­nung auf Phar­ma­zeu­ti­ka kei­ne Anwen­dung. In Arz­nei­mit­teln ent­hal­te­ne Stof­fe sind von der Pflicht zur Regis­trie­rung und Stoff­be­wer­tung bis­her aus­drück­lich befreit.22

ii Die Ver­ord­nung (EG) 1907/2006 ist die Euro­päi­sche Che­mi­ka­li­en­ver­ord­nung zur Regis­trie­rung, Bewer­tung, Zulas­sung und Beschrän­kung che­mi­scher Stof­fe. „REACH“ steht für Regis­tra­ti­on, Eva­lua­ti­on, Aut­ho­ri­sa­ti­on and Rest­ric­tion of Che­mi­cals. Sie fin­det als ver­bind­li­cher, euro­päi­scher Rechts­akt in Deutsch­land unmit­tel­ba­re Anwen­dung.

Stra­te­gi­sche Abhän­gig­keit als Gesund­heits­ri­si­ko

Die Wirk­stoff­pro­duk­ti­on hat sich in den letz­ten 20 Jah­ren immer mehr auf weni­ge Regio­nen der Welt und auf eine klei­ne Anzahl von Her­stel­len­den kon­zen­triert.23 Ins­be­son­de­re patent­freie Arz­nei­mit­tel ein­schließ­lich vie­ler Anti­bio­ti­ka sowie Roh­stof­fe und Zwi­schen­pro­duk­te vie­ler Arz­nei­mit­tel bezie­hen euro­päi­sche Län­der haupt­säch­lich aus Chi­na und Indi­en. Eini­ge die­ser inter­na­tio­na­len Arz­nei­mit­tel­lie­fer­ket­ten wur­den durch die Covid-19-Pan­de­mie unter­bro­chen. Die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on spricht daher von einer „stra­te­gi­schen Abhän­gig­keit“ von die­sen für die öffent­li­che Gesund­heit und die Ver­sor­gungs­si­cher­heit kri­ti­schen Pro­duk­ten.24 Es wird daher ange­strebt, die Ver­sor­gung mit kri­ti­schen Arz­nei­mit­teln durch eine Diver­si­fi­zie­rung der Pro­duk­ti­ons­stand­or­te, ein­schließ­lich dem Wie­der­auf­bau der Pro­duk­ti­on inner­halb der EU, in Zukunft bes­ser zu gewähr­leis­ten. Um Anrei­ze dafür zu schaf­fen, bedarf es auch einer Neu­be­trach­tung der Rabatt­ver­trä­ge der Kran­ken­kas­sen, da durch die­se teil­wei­se sehr gerin­ge Prei­se für Gene­ri­ka gezahlt wer­den. Die­ser Preis­druck hat dazu bei­getra­gen, dass Her­stel­ler die Pro­duk­ti­ons­kos­ten auch durch Pro­duk­ti­on in Dritt­staa­ten so weit wie mög­lich gesenkt haben.25

Neben der Ver­sor­gungs­si­cher­heit bie­tet die Regu­lie­rung von Lie­fer­ket­ten im Arz­nei­mit­tel­we­sen auch das Poten­zi­al, die Ein­hal­tung öko­lo­gi­scher und arbeits­recht­li­cher Stan­dards sowie den Schutz natür­li­cher Res­sour­cen zu ver­bes­sern. Das zum Janu­ar 2023 in Kraft getre­te­ne Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz (LkSG) hat das Poten­ti­al, Arbeits- und Umwelt­stan­dards in phar­ma­zeu­ti­schen Pro­duk­ti­ons­stät­ten und in der Lie­fer­ket­te zu ver­bes­sern. Es betrifft zu- nächst (Pharma-)Unternehmen, die in der Regel min­des­tens 3.000 (ab 2024 dann 1.000) Arbeitnehmer:innen im deut­schen Inland beschäf­ti­gen. Umwelt­aus­wir­kun­gen wer­den durch das LkSG mit­tel­bar erfasst, indem schäd­li­che Boden­ver­än­de­run­gen, Gewäs­ser- und Luft­ver­schmut­zun­gen men­schen­recht­li­che Risi­ken dar­stel­len kön­nen,26 wenn durch sie z.B. die natür­li­chen Grund­la­gen zur Nah­rungs­mit­tel­pro­duk­ti­on oder die mensch­li­che Gesund­heit direkt geschä­digt wer­den.iii Aus­wir­kun­gen auf das Kli­ma oder den Bio­di­ver­si­täts­ver­lust wer­den aller­dings nicht berück­sich­tigt. Das LkSG mag damit ein ers­ter Schritt in Rich­tung Umwelt­schutz in natio­na­len und inter­na­tio­na­len Lie­fer­ket­ten sein. Nach­bes­se­rungs­be­dürf­tig ist es aller­dings schon jetzt im Hin­blick auf sei­ne Reich­wei­te: Bis­lang betrifft das Gesetz nur den eige­nen Geschäfts­be­reich und unmit­tel­ba­re Zulie­fern­de, wohin­ge­gen bei mit­tel­ba­ren Zulie­fern­den ledig­lich eine anlass­be­zo­ge­ne Risi­ko­ana­ly­se durch das Unter­neh­men durch­zu­füh­ren ist. Eine Ver­let­zung der Sorg­falts­pflich­ten des LkSG begrün­det zudem kei­ne eige­ne zivil­recht­li­che Haf­tung, viel­mehr ver­bleibt die Rechts­durch­set­zung beim Bun­des­amt für Wirt­schaft und Aus­fuhr­kon­trol­le (BAFA), wel­ches Ver­stö­ße als Ord­nungs­wid­rig­kei­ten ahn­den kann.

iii Eine unmit­tel­ba­re Erfas­sung umwelt­be­zo­ge­ner Risi­ken – ohne kon­kre­ten Bezug zu men­schen- recht­li­chen Risi­ken – leis­tet das LkSG hin­sicht­lich der Ver­mei­dung von lang­le­bi­gen Schad­stof­fen (Stock­hol­mer Über­ein­kom­men), der Ver­mei­dung von Queck­sil- ber-Emis­sio­nen (Min­ama­ta-Kon- ven­ti­on) sowie der Kon­trol­le der grenz­über­schrei­ten­den Ver­brin- gung von gefähr­li­chen Abfäl­len (Bas­ler Über­ein­kom­men).

Wäh­rend das LkSG sei­nen Anwen­dungs­be­reich bran­chen­un­ab­hän­gig über die Zahl der Beschäf­tig­ten der Unter­neh­men defi­niert, legt der aktu­el­le Richt­li­ni­en­ent­wurf der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on dar­über hin­aus soge­nann­te „high-impact“-Sektoren fest, die typi­scher­wei­se beson­ders sen­si­bel für Ver­let­zun­gen von Men­schen­rechts- und Umwelt­be­lan­ge sind.27 Aktu­ell fällt der phar­ma­zeu­ti­sche Sek­tor nicht unter die defi­nier­ten Hoch­ri­si­ko­sek­to­ren. Für eine grö­ße­re Reich­wei­te der Lie­fer­ket­ten­re­gu­lie­rung wäre die Erwei­te­rung um den Wirt­schafts­sek­tor Phar­ma­zie bedeut­sam.

Apo­the­ken am Hebel für Gesund­heit und Umwelt­schutz

Abga­be­stel­len wie Apo­the­ken haben gro­ßen Ein­fluss auf die bedarfs­ge­rech­te Ver­wen­dung und Ent­sor­gung von Arz­nei­mit­teln und kön­nen somit die Ein­trags­we­ge von Phar­ma­zeu­ti­ka in die Umwelt redu­zie­ren. Hier spie­len Apotheker:innen als direk­te Kon­takt­per­so­nen der Endverbraucher:innen eine wesent­li­che Rol­le. So ist es berufs­recht­li­che Pflicht der Apotheker:innen, die Patient:innen zu infor­mie­ren und zu bera­ten,28 ein­schließ­lich sach­ge­rech­ter Auf­be­wah­rung und Ent­sor­gung der Arz­nei­mit­tel.29

Die­se Bera­tungs­pflicht erstreckt sich jedoch nicht auf Hin­wei­se über den umwelt­be­wuss­ten Umgang mit und die Ent­sor­gung von Arz­nei­mit­teln mit Umwelt­re­le­vanz. Wel­chen Medi­ka­men­ten aus Umwelt­grün­den der Vor­zug zu geben ist, könn­te bei Bera­tungs­ge­sprä­chen in Apo­the­ken ver­mit­telt wer­den. Gren­zen der Bera­tung fin­den sich zunächst in der ärzt­li­chen The­ra­pie­frei­heit, wel­che durch den Apo­the­ker oder die Apo­the­ke­rin nicht beein­flusst wer­den darf.30 Zum ande­ren setzt eine fach­kun­di­ge Bera­tung über Umwelt­aus­wir­kun­gen der Arz­nei­mit­tel Vor­wis­sen vor­aus, das durch Aus- und Wei­ter­bil­dung sicher­ge­stellt wer­den müss­te.

Ein­zel­ne medi­zi­ni­sche Fach­ge­sell­schaf­ten haben bereits Leit­li­ni­en erar­bei­tet, wel­che die Umwelt­bi­lanz ver­schie­de­ner Medi­zin­pro­duk­te berück­sich­ti­gen. Dazu zählt bei­spiels­wei­se die Hand­lungs­emp­feh­lung für die kli­ma­be­wuss­te Ver­ord­nung von inha­la­ti­ven Arz­nei­mit­teln von der Deut­schen Gesell­schaft für All­ge­mein­me­di­zin und Fami­li­en­me­di­zin.31

Auch auf die Ent­sor­gung könn­te die Apo­the­ke ent­schei­dend Ein­fluss neh­men. Nach der­zei­ti­ger Rechts­la­ge ist die Rück­nah­me von Medi­ka­men­ten durch die Apo­the­ke eine rei­ne Ser­vice­leis­tung. Eine Pflicht und ein damit ein­her­ge­hen­der Anspruch der Kund:innen auf die Rück­nah­me der Medi­ka­men­te besteht nicht. Bis zum Jahr 2009 bestand eine zen­tra­le Rege­lung für die Ent­sor­gung von Alt­me­di­ka­men­ten über die Apo­the­ken. Die­se sinn­vol­le Rege­lung wur­de infol­ge der Ände­rung der Ver­pa­ckungs­ver­ord­nung mit dem Weg­fall eines für die Apo­the­ken kos­ten­lo­sen Abhol­sys­tems jedoch ein­ge­stellt.32 Eine neue, ein­heit­li­che Rege­lung könn­te durch die EU-Abfall­rah­men­richt­li­nie (2008/98/EG) erfol­gen und zusam­men mit ziel­ge­rich­te­ter Auf­klä­rung von Endverbraucher:innen über die sach­ge­rech­te Ent­sor­gung von Arz­nei­mit­teln Wir­kung ent­fal­ten.

Nach­hal­ti­ges Wirt­schaf­ten und Umwelt­schutz nimmt auch in der Apo­the­ken­land­schaft eine immer wich­ti­ge­re Rol­le ein. Anfang 2022 erwähn­te die Bun­des­ver­ei­ni­gung Deut­scher Apo­the­ker­ver­bän­de Nach­hal­tig­keit und Kli­ma­schutz in der Prä­am­bel sei­nes Beschlus­ses zur „Apo­the­ke 2030“, führ­te die­se Aspek­te bis­her aber nicht wei­ter aus.33 Im Sep­tem­ber 2022 war „Kli­ma­wan­del, Phar­ma­zie und Gesund­heit“ die Schwer­punkt­the­ma­tik des Deut­schen Apo­the­ker­ta­ges. Sie­ben rele­van­te Anträ­ge wur­den ange­nom­men, die sich mit Maß­nah­men zur nach­hal­ti­ge­ren Arbeits­wei­se von Apo­the­ken und der Bun­des­ver­ei­ni­gung Deut­scher Apo­the­ker­ver­bän­de e.V. befas­sen und fol­gen­de Kern­for­de­run­gen für den Berufs­stand beinhal­ten:34

  • Kli­ma­freund­li­che Gestal­tung der Arbeit in den Apo­the­ken
  • Inte­grie­rung der gesund­heit­li­chen Fol­gen des Kli­ma­wan­dels in Aus‑, Fort- und Wei­ter­bil­dung
  • Bera­tung der Patient:innen zu gesund­heit­li­chen Fol­gen des Kli­ma­wan­dels durch Apotheker:innen
  • Ein­satz der Berufs­or­ga­ni­sa­tio­nen der Apotheker:innen für umfas­sen­de­re Kli­ma­schutz­maß­nah­men in Apo­the­ken

Oft wird im Sek­tor jedoch dar­auf ver­wie­sen, dass es ein­heit­li­che Rege­lun­gen auf EU-Ebe­ne bräuch­te, um Nach­hal­tig­keit recht­lich zu ver­an­kern.

Ansatz­punk­te in neu­en euro­päi­schen und deut­schen Stra­te­gien

Den der­zeit defi­zi­tä­ren Rege­lun­gen im Arz­nei­mit­tel­recht könn­ten aktu­el­le Reform­be­stre­bun­gen der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on Abhil­fe ver­schaf­fen. Mit der Arz­nei­mit­tel­stra­te­gie für Euro­pa 2020 soll die Qua­li­tät und Sicher­heit von Arz­nei­mit­teln gewähr­leis­tet sowie Trans­pa­renz und Sicher­heit der Lie­fer­ket­ten erhöht wer­den. Ziel die­ser Initia­ti­ve ist ein Vor­schlag für eine Ver­ord­nung, die ins­be­son­de­re die gel­ten­den EU- Arz­nei­mit­tel­vor­schrif­ten über­ar­bei­ten soll.35 In die­sem Rah­men sol­len die Anfor­de­run­gen an die Umwelt­ver­träg­lich­keits­prü­fung und die Ver­wen­dungs­be­din­gun­gen für Arz­nei­mit­tel gestärkt wer­den.

Neben der neu­en Arz­nei­mit­tel­stra­te­gie auf euro­päi­scher Ebe­ne, liegt für Deutsch­land ein Regie­rungs­ent­wurf für eine neue natio­na­le Was­ser­stra­te­gie vor. Die­se sieht erheb­li­che Ver­bes­se­run­gen für die Kon­trol­le und die Reduk­ti­on von Schad­stof­fen in deut­schen Gewäs­sern vor. Mit ihr soll der Null-Schad­stoff-Akti­ons­plan der EU sek­toren­über­grei­fend umge­setzt und das Che­mi­ka­li­en­ma­nage­ment gestärkt wer­den. So sol­len bis 2030 u.a. Schwel­len­wer­te für Human- und Tier­arz­nei­mit­tel in der Grund­was­ser­ver­sor­gung ein­ge­führt und eine neue Daten­bank für che­mi­sche Stof­fe eta­bliert wer­den, die Trans­pa­renz schafft und Nach­steue­rung ermög­licht.36

Um Umwelt- und Kli­ma­schutz im Arz­nei­mit­tel­we­sen wir­kungs­voll zu eta­blie­ren, eröff­nen sich, wie in die­sem Poli­cy Brief dar­ge­legt, meh­re­re Hand­lungs­fens­ter für Gesetz­ge­ben­de auf Bun­des- und EU-Ebe­ne, sowie für Akteur:innen des Arz­nei­mit­tel­sek­tors.

Hand­lungs­emp­feh­lun­gen für Gesetz­ge­ben­de auf Bun­des- und EU-Ebe­ne und den Arz­nei­mit­tel­sek­tor

Um Nach­hal­tig­keit und Kli­ma­schutz ange­sichts der Dring­lich­keit der öko­lo­gi­schen Kri­sen im gesam­ten Arz­nei­mit­tel­sek­tor zu ver­bes­sern, bie­ten sich Gesetz­ge­ben­den fol­gen­de Hand­lungs­op­tio­nen:

  • Zulas­sungs­re­le­van­te Umwelt­ri­si­ko­prü­fung für alle Human­arz­nei­mit­tel mit ver­bind­li­chen Risi­ko­re­duk­ti­ons­maß­nah­men im Arz­nei­mit­tel­recht auf natio­na­ler und euro­päi­scher Ebe­ne: Im Zusam­men­spiel von Che­mi­ka­li­en- und Arz­nei­mit­tel­recht braucht es die Ein­be­zie­hung von Umwelt­aus­wir­kun­gen in das Zulas­sungs­re­gime von Human­arz­nei­mit­teln oder ihrer Wirk­stof­fe in der euro­päi­schen Richt­li­nie 2001/83/EG (Gemein­schafts­ko­dex für Human­arz­nei­mit­tel) und im deut­schen Arz­nei­mit­tel­ge­setz.

  • Ver­pflich­ten­de Berück­sich­ti­gung von Nach­hal­tig­keits­kri­te­ri­en in der Aus­schrei­bung für Arz­nei­mit­tel: Hier­zu soll­te Nach­hal­tig­keit im SGB V vom Gesetz­ge­ber ver­an­kert wer­den.

  • Ein­be­zie­hung von Treib­haus­gas­emis­sio­nen und Aus­wir­kun­gen auf Bio­di­ver­si­tät in das Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz: Das Gesetz soll­te um die­se essen­zi­el­len Dimen­sio­nen erwei­tert und mit kla­ren, evi­denz­ba­sier­ten Kri­te­ri­en ver­se­hen wer­den.

  • Trans­pa­ren­te, öffent­lich zugäng­li­che Daten zu den Kli­ma- und Umwelt­aus­wir­kun­gen von Neu- und Alt­arz­nei­mit­teln: Die­se Daten soll­ten öffent­lich zugäng­lich sein und evi­denz­ba­sier­te Schwel­len­wer­te fest­ge­legt wer­den, um Schä­den in Öko­sys­te­men zu begren­zen.

  • Reduk­ti­on von Ver­schwen­dung und unsach­ge­mä­ßer Ent­sor­gung: Eine bes­se­re Auf­klä­rung von Apotheker:innen durch die Berufs­ver­bän­de und Her­stel­ler, Gesund­heits­fach­per­so­nal und Patient:innen über die sach­ge­mä­ße Ent­sor­gung von Arz­nei­mit­teln sowie eine Aus­wei­tung von Rück­nah­me­stel­len für Arz­nei­mit­tel in Apo­the­ken ist wün­schens­wert.

  • För­de­rung von Gene­ri­ka­pro­duk­ti­on in Euro­pa: Um Ver­sor­gungs­si­cher­heit ins­be­son­de­re mit Anti­bio­ti­ka in Deutsch­land zu gewähr­leis­ten, trans­pa­ren­te Infor­ma­tio­nen und Kon­trol­le über die Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen zu haben sowie Emis­sio­nen zu spa­ren, soll­ten stren­ge­re Vor­ga­ben in Bezug auf Rabatt­ver­trä­ge für Gene­ri­ka beschlos­sen und/oder die Gene­ri­ka­pro­duk­ti­on in Euro­pa gezielt geför­dert wer­den.

  • Aus- und Wei­ter­bil­dun­gen für Pharmazeut:innen im Hin­blick auf Umwelt­schutz und Nach­hal­tig­keit: Sowohl Stu­die­ren­de der Phar­ma­zie als auch bereits exami­nier­te Apotheker:innen soll­ten im Umgang mit umwelt­ge­fähr­den­den Arz­nei­mit­teln geschult wer­den. Zudem müs­sen Umwelt­ri­si­ken von Arz­nei­mit­teln drin­gend öffent­lich zugäng­li­cher und sicht­bar gemacht wer­den, damit sich Apotheker:innen über Ver­än­de­run­gen der Umwelt­ri­si­ken infor­mie­ren kön­nen.

Um Gesund­heit, Kli­ma und Umwelt zu schüt­zen, soll­ten die­se Hand­lungs­mög­lich­kei­ten in der Regu­lie­rung des Arz­nei­mit­tel­sek­tors schnellst­mög­lich auf bun­des­po­li­ti­scher bzw. EU-Ebe­ne umge­setzt wer­den. Auch Akteur:innen in der Phar­ma­zie spie­len eine wich­ti­ge Rol­le und soll­ten ihre Ver­ant­wor­tung sowie ihre Hand­lungs­mög­lich­kei­ten stär­ker wahr­neh­men.

Lite­ra­tur

  1. Wis­sen­schaft­li­cher Bei­rat der Bun­des­re­gie­rung Glo­ba­le Umwelt­ver­än­de­run­gen (WBGU) (2021). Pla­ne­ta­re Gesund­heit: Wor­über wir jetzt reden müs­sen.
    https://www.wbgu.de/fileadmin/user_upload/wbgu/publikationen/factsheets/fs10_2021/wbgu_ip_2021_ planetare_gesundheit.pdf
  2. Health Care Wit­hout Harm (2019). Health care’s cli­ma­te foot­print. 
    https://noharm-global.org/sites/default/files/documents-files/5961/HealthCaresClimateFootprint_092319.pdf
  3. NHS Eng­land (2022). Deli­ve­ring a ‘Net Zero’ Natio­nal Health Ser­vice.
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    https://manufacture2030.com/insights/news/2022/11/activate-program-launched-to-accelerate-decarbonization-in-active-pharmaceutical-ingredient-api-supply-chains
  7. EcoAct (2021). The Cli­ma­te Repor­tung and Per­for­mance of the DOW 30, EURO STOXX 50 and FTSE 100. 
    https://info.eco-act.com/hubfs/0%20-%20Downloads/SRP%20research%202021/Climate-reporting- performance-research-2021.pdf?hsLang=en
  8. Aus der Beek, T. et al. (2016). Phar­maceu­ti­cals in the envri­onment: Glo­bal occu­rance and poten­ti­al coope­ra­ti­ve action under the Stra­te­gic Approach to Inter­na­tio­nal Che­mi­cals Manage­ment (SAICM). Umwelt­bun­des­amt.
  9. Umwelt­bun­des­amt (2014). Arz­nei­mit­tel in der Umwelt.
  10. NHS Eng­land (o.D.). Net zero sup­pli­er road­map.
    https://www.england.nhs.uk/greenernhs/get-involved/suppliers/
  11. 11  Amgros (2022). Second Joint Nor­dic Ten­de­ring Pro­ce­du­re for medi­ci­nes com­ple­te. 
    https://amgros.dk/en/knowledge-and-analyses/articles/second-joint-nordic-tendering-procedure-for- medi­ci­nes-com­ple­te­d/
  12. Regi­on Stock­holm (o.D.). Infor­ma­tio­nen zu Umwelt­wir­kun­gen von Arz­nei­mit­teln. 
    https://janusinfo.se/beslutsstod/lakemedelochmiljo.4.72866553160e98a7ddf1d01.html
  13. Wal­ter, S., Mit­ki­dis, K. (2018). The Risk Assess­ment of Phar­maceu­ti­cals in the Envi­ron­ment: EU and US Regu­la­to­ry Approach. Euro­pean Jour­nal of Risk Regu­la­ti­on, 9 (3), 527–547.
  14. Daugh­ton, C.G. (2003). Crad­le-to-crad­le ste­ward­ship of drugs for mini­mi­zing their envi­ron­men­tal dis­po­si­ti­on while pro­mo­ting human health. I. Ratio­na­le for and ave­nues toward a green phar­ma­cy. Envi­ron­men­tal Health Per­spec­ti­ves, 111 (5).
  15. Küm­me­rer, K., Hem­pel, M. (2010). Green and sus­tainable phar­ma­cy.
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  22. Richt­li­nie 2006/121/EG des Euro­päi­schen Par­la­ments und des Rates zur Anglei­chung der Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten für die Ein­stu­fung, Ver­pa­ckung und Kenn­zeich­nung gefähr­li­cher Stof­fe im Hin­blick auf ihre Anpas­sung an die Ver­ord­nung (EG) Nr. 1907/2006 zur Regis­trie­rung, Bewer­tung, Zulas­sung und Beschrän­kung che­mi­scher Stof­fe (REACH) und zur Schaf­fung eines Euro­päi­schen Amtes für che­mi­sche Stof­fe. II: Regis­trie­rung von Stof­fen, Abschnitt 5 lit. A. 
    https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006L0121&from=EN
  23. Pro­ge­ne­ri­ka (2020). Woher kom­men unse­re Wirk­stof­fe? Eine Welt­kar­te der API Pro­duk­ti­on.
  24. Euro­päi­sche Kom­mis­si­on (2021). Mit­tei­lung der Kom­mis­si­on an das Euro­päi­sche Par­la­ment und den Rat:Stra­te­gi­sche Vor­aus­schau 2021 – Die Hand­lungs­fä­hig­keit und Hand­lungs­frei­heit der EU.
  25. Bun­des­ver­band der phar­ma­zeu­ti­schen Indus­trie e.V. (2022). Pro­duk­ti­on von Arz­nei­mit­teln.
    https://www.bpi.de/de/themendienste/produktion-von-arzneimitteln
  26. Gesetz über die unter­neh­me­ri­schen Sorg­falts­pflich­ten zur Ver­mei­dung von Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen in Lie­fer­ket­ten (2022). § 2 Begriffs­be­stim­mun­gen, Abschnitt 2, Num­mer 9.
    https://www.gesetze-im-internet.de/lksg/__2.html
  27. Euro­päi­sche Kom­mis­si­on (2022). Vor­schlag für eine Richt­li­nie des Euro­päi­schen Par­la­ments und des Rates über die Sorg­falts­pflich­ten von Unter­neh­men im Hin­blick auf Nach­hal­tig­keit und zur Ände­rung der Richt­li­nie (EU) 2019/1937.
  28. Ver­ord­nung über den Betrieb von Apo­the­ken (Apo­the­ken­be­triebs­ord­nung — ApBe­trO) (2012). § 20 Infor­ma­ti­on und Bera­tung, Abschnitt 1.
    https://www.gesetze-im-internet.de/apobetro_1987/inhalts_bersicht.html
  29. Ver­ord­nung über den Betrieb von Apo­the­ken (Apo­the­ken­be­triebs­ord­nung — ApBe­trO) (2012). § 20 Infor­ma­ti­on und Bera­tung, Abschnitt 2.
    https://www.gesetze-im-internet.de/apobetro_1987/inhalts_bersicht.html
  30. Ver­ord­nung über den Betrieb von Apo­the­ken (Apo­the­ken­be­triebs­ord­nung — ApBe­trO) (2012). § 20 Infor­ma­ti­on und Bera­tung, Abschnitt 1a.
    https://www.gesetze-im-internet.de/apobetro_1987/inhalts_bersicht.html
  31. Deut­sche Gesell­schaft für All­ge­mein­me­di­zin und Fami­li­en­me­di­zin (DEGAM) (2022). Kli­ma­be­wuss­te Ver­ord­nung von inha­la­ti­ven Arz­nei­mit­teln.
  32. Wes­sin­ger, B. (2018). Alt­arz­nei­mit­tel gehö­ren in die Apo­the­ke! 
    https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2018/03/22/altarzneimittel-gehoeren-in-die– apo­the­ke
  33. Bun­des­ver­ei­ni­gung Deut­scher Apo­the­ker­ver­bän­de e.V. (2022). Apo­the­ke 2030: Per­spek­ti­ven zur phar­ma­zeu­ti­schen ver­sor­gung in Deutsch­land (2.0).
  34. ABDA (2022). Beschlüs­se der Haupt­ver­samm­lung der deut­schen Apo­the­ke­rin­nen und Apo­the­ker.
    https://www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/DAT_Beschluesse/DAT_2022_Beschluesse.pdf
  35. Euro­pean Com­mis­si­on (2020). Phar­maceu­ti­cal Stra­tegy for Euro­pe.
  36. Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Umwelt, Natur­schutz, nuklea­re Sicher­heit und Ver­brau­cher­schutz (2022). Regie­rungs­ent­wurf Natio­na­le Was­ser­stra­te­gie.
    https://www.bmuv.de/download/regierungsentwurf-nationale-wasserstrategie

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