Ein Präventionsprojekt von BARMER und KLUG
Katharina Wabnitza , Milva Endea, Annkathrin von der Haara
a Centre for Planetary Health Policy, Berlin
DOI: 0.5281/zenodo.14016784
Vorbemerkung
Der Klimawandel sowie die fortschreitende Zerstörung der Umwelt gehören zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Laut der Weltgesundheitsorganisation stellt der Klimawandel die größte Bedrohung für die globale Gesundheit in diesem Jahrhundert dar. Bereits heute spüren wir die massiven Auswirkungen auf unsere Gesundheit, das Gesundheitssystem sowie andere Politik- und Lebensbereiche. Bei der Adaptation an und Mitigation des Klimawandels spielt auch das Gesundheitswesen eine wichtige Rolle, denn es trägt einerseits mit Emissionen selbst zum Klimawandel bei und wird andererseits in besonderem Maße von der zunehmenden Krankheitslast durch seine Auswirkungen betroffen sein.
Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention haben das Potential dazu beizutragen, die Resilienz von Individuen und der Bevölkerung zu stärken, dadurch das Gesundheitswesen zu entlasten und gleichzeitig den Klimawandel nicht weiter zu verschärfen beziehungsweise abzuschwächen. Im Dezember 2022 wurden der GKV Leitfaden Prävention nach § 20 Abs. 2 SGB V zur Umsetzung der §§ 20, 20a und 20b SGB V und der GKV Leitfaden Prävention in stationären Pflegeeinrich-tungen nach § 5 SGB XI um das Querschnittsthema Klimawandel ergänzt – ein erster wichtiger Schritt, um die Schlüsselrolle von Akteur:innen der Gesundheitsförderung und Prävention im aktuellen Handlungsrahmen abzubilden und auszugestalten.
Die vorliegende Evidenzsynthese zu Co-Benefits ist im Rahmen eines Kooperationsprojekts zwischen der BARMER und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG e.V.) entstanden. Ziel des Projektes ist die Entwicklung und Umsetzung von Weiterbildungsformaten und Qualitätsstandards zur Integration der Planetary Health Perspektive in Aktivitäten der Gesundheitsförderung und Prävention nach §§ 20, 20a und 20b SGB V sowie § 5 SGB XI.
Um dem Ziel des Kooperationsprojektes evidenzinformiert nachzukommen, fasst die vorliegende Evidenzsynthese den aktuellen Stand der Forschung zu Maßnahmen zusammen, die gut für das Klima, die Umwelt und gleichzeitig für unsere Gesundheit sind – sogenannte Maßnahmen mit Co-Benefits. Für die Erstellung der Evidenzsynthese wurden insbesondere der Bericht der LancetPathfinder Kommission von 2024 sowie das aktuelle Hauptgutachten „Gesund leben auf einer gesunden Erde“ des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) einbezogen. Ergänzend wurden weitere relevante Publikationen verwendet. Basierend darauf enthält die Evidenzsynthese darüber hinaus Handlungsempfehlungen für Akteur:innen im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention.
Die letzte Aktualisierung dieser Evidenzsynthese wurde am 22.11.2024 vorgenommen.
Inhaltsverzeichnis
- Hintergrund
1.1 Planetarer Notfall
1.2 Gesundheitsförderung und Prävention in der Transformation zu planetarer Gesundheit - Co-Benefits
2.1 Definition Co-Benefits
2.2 Aktuelle Evidenz zu Co-Benefits
2.2.1 Lancet Pathfinder
2.2.2 Ergebnisse allgemein
2.2.3 Co-Benefits im Handlungsfeld Ernährung und Landwirtschaft
2.2.4 Co-Benefits im Handlungsfeld Bewegung
2.2.5 Co-Benefits im Handlungsfeld mentale Gesundheit - Handlungsempfehlungen zur Ausschöpfung von Co-Benefits für Klima und Umwelt bei Aktivitäten der Prävention und Gesundheitsförderung
3.1 Allgemeine Handlungsempfehlungen
3.2 Spezifische Handlungsempfehlungen - Literaturverzeichnis
1. Hintergrund
Im folgenden Kapitel wird zunächst einleitend der Hintergrund dieser Evidenzsyn-these zu Co-Benefits dargelegt. Beginnend gibt Kapitel 1.1 hierzu einen kurzen Überblick über die Zusammenhänge zwischen der Überschreitung planetarer Grenzen und unserer Gesundheit. Nachfolgend wird in Kapitel 1.2 die Bedeutung von Gesundheitsförderung und Prävention für die Transformation zu planetarer Gesundheit beleuchtet.
1.1 Planetarer Notfall
Die letzten Jahrzehnte waren von immensem Wohlstandswachstum sowie wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen geprägt, die auch die Gesundheit und das Wohlergehen vieler Menschen verbessert haben. Der Aufbau von Wohlfahrtsstaaten und umfassenden sozialen Sicherungssystemen spielt dabei bis heute eine wichtige Rolle. Dennoch ergibt sich bei näherer Betrachtung ein widersprüchliches Bild: Während beispielsweise die Mütter- und Kindersterblichkeit sowie auch die Sterblichkeit durch übertragbare Krankheiten abnehmen, steigt die Häufigkeit nicht-übertragbarer Krankheiten in allen Ländern an (Murray, 2024). Wissenschaftliche Studien zeigen, dass zwar die globale Lebenserwartung steigt, aber die Lebenszeit, die Menschen in guter Gesundheit verbringen, proportional gesehen gleich bleibt – wir leben also länger, aber nicht gesünder (Graalmann et al., 2022). Darüber hinaus sind Gesundheit und Wohlergehen sowie der dafür notwendige Zugang zu Ressourcen und Infrastrukturen für ein gutes, gelingendes Leben sowohl zwischen Ländern als auch innerhalb von Bevölkerungsgruppen sehr ungleich verteilt (United Nations Development Programme (UNDP), 2023; World Health Organization (WHO) & International Bank for Reconstruction and Development, 2023).
Die oben beschriebenen Fortschritte haben zudem einen hohen Preis: Wir riskieren nicht nur die Chancen auf ein gutes, gelingendes Leben, sondern auch die Bewohnbarkeit unseres Planeten – heute und vor allem für zukünftige Generationen. Denn wir überschreiten insbesondere vor dem Hintergrund einer immer weiterwachsenden Weltbevölkerung multiple planetare Belastungsgrenzen (Richardson et al., 2023) (Box 1). Das liegt vor allem an der Nutzung fossiler Brennstoffe, der Zerstörung und Veränderung natürlicher Lebensräume, der Ausbeutung natürlicher Ressourcen sowie der Verschmutzung von Böden, Luft und Gewässern (Steffen et al., 2015).
Die Überschreitung der planetaren Grenzen bedroht bereits heute die globale Gesundheit und das Wohlergehen spür- und messbar. In Europa steigt die Temperatur doppelt so schnell an wie im globalen Durchschnitt (European Environment Agency, 2024).
In Deutschland sind bislang insbesondere die gesundheitlichen Folgen von Extremwetterereignissen, wie Hitzewellen, Dürren und Überflutungen, z.B. durch Starkregen, aber auch neue Vektoren- und Infektionskrankheiten sowie Allergien und Atemwegserkrankungen, relevant (Günster et al., 2021; Hertig et al., 2023). Für den Sommer 2022 hat sich für Deutschland beispielsweise eine hitzebedingte Übersterblichkeit von 4.500 Fällen ergeben (Winklmayr et al., 2022). Darüber hinaus führte Feinstaubexposition im Jahr 2020 laut der Europäischen Umweltbehörde zu circa 240.000 vorzeitigen Todesfällen in der EU (European Environment Agency, 2022).
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Das CPHP ist eine unabhängige Denkfabrik, die zu Gesundheitspolitik und globalen Umweltveränderungen arbeitet.
Zitationsvorschlag:
Wabnitz, K.,
Ende, M., Von der Haar, A. (2024).
Evidenzsynthese zu Co-Benefits:
Eine Aufarbeitung der aktuellen
wissenschaftlichen Evidenz. https://
cphp-berlin.de/wp-content/uploads/2024/10/CPHP_Evidenzsynthese_01-2024.pdf
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