Zwi­schen COP und WHA: Das Wich­ti­ge pas­siert dazwi­schen und in den Län­dern

 

Sophie Gepp ist wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin beim Cent­re for Pla­ne­ta­ry Health Poli­cy (CPHP) mit einem Arbeits­schwer­punkt auf der glo­ba­len Gover­nan­ce von Pla­ne­ta­rer Gesund­heit. Par­al­lel pro­mo­viert sie in Medi­zin in der Arbeits­grup­pe Kli­ma­wan­del und Gesund­heit an der Cha­ri­té – Uni­ver­si­täts­me­di­zin Ber­lin und am Pots­dam-Insti­tut für Kli­ma­fol­gen­for­schung.

Sophie, du warst im Dezem­ber auf der COP28 in Dubai, wo 149 Län­der eine Dekla­ra­ti­on zu Kli­ma und Gesund­heit unter­zeich­net haben. Wie grei­fen COP und WHA hier in ein­an­der?

Sophie Gepp — In Dubai wur­de der Zusam­men­hang zwi­schen Kli­ma­wan­del und Gesund­heit in der inter­na­tio­na­len Kli­ma­po­li­tik deut­lich her­vor­ge­ho­ben. Zum ers­ten Mal gab es einen Gesund­heits­tag, und bis jetzt haben 149 Län­der  die COP28 Decla­ra­ti­on on Cli­ma­te and Health unter­zeich­net. Jetzt ist es wich­tig, dass der Nexus Kli­ma­wan­del und Gesund­heit auch in der glo­ba­len Gesund­heits­po­li­tik hoch auf die Agen­da kommt und dort bleibt. Das aktu­el­le Arbeits­pro­gramm der WHO nennt den Kli­ma­wan­del bereits als stra­te­gi­sches Ziel. Und auf der heu­te begin­nen­den WHA steht eine Reso­lu­ti­on zu die­sem The­ma zur Abstim­mung.

Was wird in den kom­men­den Tagen in Genf beson­ders wich­tig?

Gepp — Die Ver­ab­schie­dung der Reso­lu­ti­on zu Kli­ma­wan­del und Gesund­heit wäre ein wich­ti­ges poli­ti­sches Bekennt­nis der Regie­run­gen und der WHO, Kli­ma­schutz in glo­ba­ler und öffent­li­cher Gesund­heit zu prio­ri­sie­ren und die Men­schen vor den viel­fäl­ti­gen gesund­heit­li­chen Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels zu schüt­zen. Der Reso­lu­ti­ons­ent­wurf setzt einen Rah­men für Gesund­heits­för­de­rung und für die Umset­zung kli­ma­re­si­li­en­ter und nach­hal­ti­ger Gesund­heits­sys­te­me. Der Text hät­te an man­chen Stel­len noch ambi­tio­nier­ter sein kön­nen, bei­spiels­wei­se was die Nen­nung fos­si­ler Ener­gien als Trei­ber der Kli­ma­kri­se oder der Spra­che zu vul­ner­ablen Bevöl­ke­rungs­grup­pen angeht. Nichts­des­to­trotz: Soll­te die Reso­lu­ti­on ver­ab­schie­det wer­den, wird sie gro­ßen Ein­fluss dar­auf haben, wie die WHO und ihre Mit­glieds­staa­ten auf die Kli­ma­kri­se reagie­ren. Gleich­zei­tig wird sie die Ver­knüp­fung von Kli­ma- und Gesund­heits­po­li­tik stär­ken und die Zusam­men­ar­beit mit kli­ma­po­li­ti­schen Foren und Insti­tu­tio­nen beför­dern.

Wie geht es nach der WHA wei­ter?

Gepp — Die Reso­lu­ti­on wäre nur der ers­te Schritt. Wich­tig ist dann, wie WHO und Mit­glied­staa­ten wei­ter­ge­hen und die­se umset­zen, also bei­spiels­wei­se Kli­ma­wan­del in ihre natio­na­len Gesund­heits­stra­te­gien inte­grie­ren und dafür Gel­der bereit­stel­len. Zudem soll­te die inter­sek­to­ra­le und ‑minis­te­ri­el­le Zusam­men­ar­beit auf Län­der­ebe­ne gestärkt wer­den. Gesund­heit muss in allen Poli­tik­fel­dern und auf allen Ebe­nen mit­ge­dacht wer­den.

Auch soll im Nach­gang ein glo­ba­ler Akti­ons­plan ent­wi­ckelt wer­den, bei des­sen Erar­bei­tung die Zivil­ge­sell­schaft ein­ge­bun­den und der mög­lichst ambi­tio­niert und weit­rei­chend sein soll­te, um Gesund­heit best­mög­lich zu schüt­zen. Essen­zi­ell zur Umset­zung der Reso­lu­ti­on ist zudem die Finan­zie­rung von Sei­ten der Mit­glieds­staa­ten.

Im Juni geht es mit in Bonn direkt im Anschluss an die WHA mit den Zwi­schen­ver­hand­lun­gen zur COP wei­ter…

Gepp — Genau. Dort wird beson­ders rele­vant, wie die auf er COP28 ver­ein­bar­ten Schrit­te in den Berei­chen Anpas­sung, Min­de­rung, Schä­den und Ver­lus­te nach­ge­hal­ten wer­den. Ein Bei­spiel ist die in Dubai ver­ein­bar­te Abkehr von fos­si­len Ener­gien und das „Glo­bal Goal on Adapt­a­ti­on“. Zen­tral wer­den in die­sem Jahr auch die Ver­hand­lun­gen zu einem neu­en Kli­ma­fi­nan­zie­rungs­ziel sein. Gleich­zei­tig ist es für den Nexus Kli­ma­wan­del und Gesund­heit wich­tig, dass die „COP28 Dekla­ra­ti­on zu Kli­ma und Gesund­heit“ und deren kon­kre­te Umset­zung nach­ge­hal­ten wird. Grund­le­gend wich­tig ist aber vor allem, dass Gesund­heits­ak­teu­re sich wei­ter­hin sowohl für die Umset­zung im Gesund­heits­sek­tor, als auch für ambi­tio­nier­te und gerech­te Kli­ma­po­li­tik zum Schut­ze der Gesund­heit ein­set­zen.

Rem­co, du hast von Beginn an die Ent­wick­lung des Pan­de­mie-Abkom­mens ver­folgt. Wor­um geht es da?

Dr. Rem­co van de Pas — Als Ant­wort auf die Covid-19-Pan­de­mie haben die WHO-Mit­glied­staa­ten dar­an gear­bei­tet, die Inter­na­tio­na­len Gesund­heits­vor­schrif­ten (IHR 2005) zu ver­bes­sern und begon­nen, ein Pan­de­mie­ab­kom­men aus­zu­han­deln. Bei­des mit dem Ziel, Prä­ven­ti­on, Vor­be­rei­tung und Reak­ti­on auf künf­ti­ge inter­na­tio­na­le Epi­de­mien und Pan­de­mien zu stär­ken. Ein sol­ches Abkom­men soll­te auch den gerech­ten und recht­zei­ti­gen Zugang zu Daten, Infor­ma­tio­nen über Krank­heits­er­re­ger und wich­ti­gen medi­zi­ni­schen Pro­duk­ten, wie Impf­stof­fen und Tests, sicher­stel­len und zudem die gemein­sa­me Nut­zung von Tech­no­lo­gien und den Auf­bau von Kapa­zi­tä­ten, auch für One-Health-Kon­zep­te, regeln.

Wo ste­hen die Ver­hand­lun­gen?

van de Pas — Seit Ende letz­ter Woche, also direkt vor Beginn der WHA, ist klar: die Mit­glieds­staa­ten konn­ten sich nicht eini­gen. Das ist ent­täu­schend, aber ehr­lich gesagt Anbe­tracht der unter­schied­li­chen natio­na­len Inter­es­sen und Poli­ti­ken in die­sem Bereich über­rascht es mich wenig. Wenn die eige­ne Bürger:innen in Gefahr sind, haben Innen­po­li­tik und natio­na­le Sicher­heit fast immer Vor­rang vor der glo­ba­len Zusam­men­ar­beit, das hat die letz­te Pan­de­mie klar gezeigt.

Wie geht es jetzt wei­ter?

van de Pas — Das bleibt abzu­war­ten. Der Teu­fel steckt im Detail. Die Her­aus­for­de­rung besteht dar­in, einen Kom­pro­miss zwi­schen den Indus­trie­län­dern und Län­dern mit nied­ri­gem bis mitt­le­rem Ein­kom­men zu fin­den. Es geht um Fra­gen wie gerech­ter Zugang, Ver­ant­wort­lich­kei­ten, Ein­hal­tung und Finan­zie­rung. Natür­lich ist das Schei­tern der Ver­ein­ba­rung auf den ers­ten Blick ein diplo­ma­ti­scher Rück­schlag für die WHO. Aber viel­leicht hat es auch etwas Gutes, denn bes­ser eine gute Eini­gung mit Ver­zö­ge­rung, die dann aber auch alle mit­tra­gen, als eine schnel­le Ver­ein­ba­rung, der vie­le miss­trau­en.

Was hat der Pan­de­mie-Ver­trag mit pla­ne­ta­rer Gesund­heit zu tun?

van de Pas — “Pla­ne­ta­re Gesund­heit” wird in der Ver­ein­ba­rung nicht erwähnt, wohl aber “One Health”.  Letzt­end­lich kann Prä­ven­ti­on, Vor­be­rei­tung und Reak­ti­on auf künf­ti­ge Pan­de­mien nur gelin­gen, wenn wir einen struk­tu­rel­le­ren One-Health-Ansatz und sogar einen Ansatz der pla­ne­ta­ren Gesund­heit ver­fol­gen, bei dem die Wie­der­her­stel­lung ver­schie­de­ner Öko­sys­te­me sowie sozio­öko­no­mi­sche und öko­lo­gi­sche Ungleich­hei­ten im Vor­der­grund ste­hen.

Das Pan­de­mie-Abkom­men bräuch­te einen stär­ker auf Gerech­tig­keit aus­ge­rich­te­ten Ansatz. Ange­sichts der unter­schied­li­chen Inter­es­sen wer­den aber wahr­schein­lich eher die direk­ten und mit­tel­fris­ti­gen Risi­ko­fak­to­ren künf­ti­ger Pan­de­mien im Mit­tel­punkt ste­hen. Um die mul­ti­plen Kri­sen zu über­win­den, denen wir uns gegen­über­se­hen, ist aber viel­mehr ein trief­grei­fen­der struk­tu­rel­ler Wan­del erfor­der­lich.

Mehr zum The­ma

Das Inter­view führ­te Mai­ke Bild­hau­er.

Mit die­sem und wei­te­ren Inter­views mit unse­ren Wissenschaftler:innen möch­ten wir aktu­el­le Debat­ten rund um pla­ne­ta­re Gesund­heit auf­grei­fen und über unse­re Arbeit und Schwer­punk­te infor­mie­ren.

© CPHP, 2024
Alle Rech­te vor­be­hal­ten

 

 

Cent­re for Pla­ne­ta­ry Health Poli­cy
Cuvrystr. 1, 10997 Ber­lin

info@cphp-berlin.de
www.cphp-berlin.de