„Je bes­ser die Kli­ma­po­li­tik ist, des­to mehr schüt­zen wir auch unse­re Gesund­heit. Die Bun­des­re­gie­rung muss jetzt ihre Haus­auf­ga­ben machen.“

 

Sophie Gepp ist wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin beim Cent­re for Pla­ne­ta­ry Health Poli­cy (CPHP) mit einem Arbeits­schwer­punkt auf der glo­ba­len Gover­nan­ce von Pla­ne­ta­rer Gesund­heit. Der­zeit macht sie ihre medi­zi­ni­sche Pro­mo­ti­on in der Arbeits­grup­pe Kli­ma­wan­del und Gesund­heit an der Cha­ri­té – Uni­ver­si­täts­me­di­zin Ber­lin und am Pots­dam-Insti­tut für Kli­ma­fol­gen­for­schung. Zudem hat sie inter­na­tio­na­le Orga­ni­sa­tio­nen im Bereich Kli­ma­wan­del und Gesund­heit bera­ten und forscht bei Glo­bal Health 50/50 zu Gen­der­ge­rech­tig­keit in glo­ba­ler Gesund­heit. Sie ist Ko-Vor­sit­zen­de des Len­kungs­krei­ses des Glo­bal Health Hub Ger­ma­ny.

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19.12.2022
Inter­view I‑01–22

Das Inter­view wur­de vor der Abschluss­erklä­rung der COP15 geführt.

Im Novem­ber fand die 27. UN-Kli­ma­kon­fe­renz in Ägyp­ten statt. Aktu­ell tref­fen sich poli­ti­sche Entscheidungsträger:innen aus aller Welt bei der UN-Arten­schutz­kon­fe­renz in Kana­da. Unse­re wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin Sophie Gepp erklärt im Inter­view, wel­che Rol­le die Gesund­heits­per­spek­ti­ve dabei spielt, was dar­aus für die Poli­tik der Bun­des­re­gie­rung folgt und gibt einen Aus­blick auf wich­ti­ge inter­na­tio­na­le Ent­wick­lun­gen für Kli­ma und Gesund­heit im nächs­ten Jahr.

Bei der COP27 warst Du im soge­nann­ten Gesund­heits­pa­vil­lon der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) ver­tre­ten. Rück­bli­ckend auf die Kon­fe­renz und mit einer Gesund­heits­per­spek­ti­ve – was ist dei­ne Bilanz? Was ist aus dei­ner Sicht gut gelau­fen, was nicht?

Gepp — Für das CPHP haben wir zwei Ver­an­stal­tun­gen zu den Aus­wir­kun­gen der Kli­ma­kri­se auf die Gesund­heit orga­ni­siert: Eine mit dem inter­na­tio­na­len For­schungs­pro­jekt Lan­cet Count­down on Cli­ma­te Chan­ge and Health zu regio­na­len Per­spek­ti­ven, wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen und poli­ti­schen Hand­lungs­mög­lich­kei­ten. Eine wei­te­re zur Rol­le der G7. Hier haben wir vor allem dar­auf geschaut, was auf poli­ti­scher Ebe­ne unter­nom­men wer­den muss, um unse­re Gesund­heit zu schüt­zen. Dazu kann man all­ge­mein fest­stel­len: Je bes­ser die Ergeb­nis­se der COP27 und ihre Umset­zung sind, je bes­ser also die Kli­ma­po­li­tik ist, des­to mehr schüt­zen wir auch unse­re Gesund­heit. Für die Kli­ma­ge­rech­tig­keit haben wir mit der Ein­rich­tung eines Fonds zum Aus­gleich von Kli­ma­schä­den („loss and dama­ge“) einen his­to­ri­schen Durch­bruch erreicht. Damit über­neh­men Ver­ur­sa­cher­staa­ten wie Deutsch­land finan­zi­el­le Ver­ant­wor­tung für ihre his­to­ri­schen Emis­sio­nen, die jetzt schon enor­me Schä­den, zum Bei­spiel durch Extrem­wet­ter­er­eig­nis­se, ver­ur­sa­chen. Aller­dings sind die Details zur Umset­zung des Fonds noch nicht klar. Des­we­gen müs­sen wir genau beob­ach­ten, ob er tat­säch­lich Kli­ma­ge­rech­tig­keit ermög­licht und kein sym­bo­li­scher Akt bleibt. Auf die­ser COP und im Kon­text der schwie­ri­gen Men­schen­rechts­la­ge vor Ort wur­de auch deut­lich, wie eng Pla­ne­ta­re Gesund­heit und Men­schen­rech­te ver­bun­den sind. Daher ist es umso wich­ti­ger, dass die Ver­trags­län­der in der Abschluss­erklä­rung ihre Ver­pflich­tung zur Ein­hal­tung der Men­schen­rech­te bekräf­tigt haben. Nach eini­gem Rin­gen und viel Druck der Zivil­ge­sell­schaft haben sie außer­dem erst­mals das Recht auf eine sau­be­re, gesun­de und nach­hal­ti­ge Umwelt sowie das Recht auf Gesund­heit aner­kannt.

Weni­ger posi­tiv fiel das Ergeb­nis in Hin­blick auf das 1,5‑Grad-Ziel aus… 

Gepp — Ja, der Aus­stieg aus den fos­si­len Brenn­stof­fen wur­de lei­der nicht in die Abschluss­erklä­rung auf­ge­nom­men und es war sogar schwie­rig, nicht hin­ter die Beschlüs­se der letz­ten Kli­ma­kon­fe­renz in Glas­gow zurück­zu­fal­len. Und das, obwohl wir mit den aktu­el­len Maß­nah­men auf eine Erd­er­wär­mung von 2,7 Grad Cel­si­us zusteu­ern. Das ist auch für die mensch­li­che Gesund­heit dra­ma­tisch: Der Aus­stieg aus fos­si­len Ener­gien ist eine wesent­li­che Maß­nah­me, um unser Wohl­erge­hen zu schüt­zen, wie auch der dies­jäh­ri­ge For­schungs­be­richt Lan­cet Count­down on Cli­ma­te Chan­ge and Health betont.

Wie sehr stand das The­ma Kli­ma und Gesund­heit auf der Agen­da? Auch im Ver­gleich zu den vor­he­ri­gen Kon­fe­ren­zen? Der Guar­di­an schreibt zum Bei­spiel, dass Ange­hö­ri­ge der Gesund­heits­be­ru­fe jetzt eine viel pro­mi­nen­te­re Rol­le spie­len. Hast Du das auch so wahr­ge­nom­men?

Gepp — Gesund­heits­be­ru­fe sind auf jeden Fall von Jahr zu Jahr stär­ker auf der COP ver­tre­ten und haben sich die­ses Jahr auch sehr stark in poli­ti­sche Debat­ten ein­ge­bracht. Sie haben Emp­feh­lun­gen für ver­schie­de­ne Ver­hand­lungs­strän­ge ver­öf­fent­licht, sich aktiv mit den Vertreter:innen der Län­der aus­ge­tauscht und immer wie­der erklärt, was aus gesund­heit­li­cher Sicht nötig ist. Auch ihre Pro­tes­te auf dem COP-Gelän­de wur­den deut­lich wahr­ge­nom­men. Wich­ti­ge Stim­men aus der Gesund­heits­com­mu­ni­ty wie der WHO-Gene­ral­di­rek­tor Dr. Tedros Adha­nom Ghe­brey­e­sus oder Maria Nei­ra, Direk­to­rin für öffent­li­che Gesund­heit und Umwelt bei der WHO, haben sich für einen schnel­len Aus­stieg aus den fos­si­len Ener­gien zum Schutz der Gesund­heit aus­ge­spro­chen und Regie­run­gen auf­ge­for­dert, einen recht­lich ver­bind­li­chen glo­ba­len Ver­trag, den soge­nann­ten Fos­sil Fuel Non-Pro­li­fe­ra­ti­on Trea­ty, auf­zu­stel­len. Außer­dem war Gesund­heit das ers­te Mal The­ma in Zusam­men­hang mit der „Glo­ba­len Bestands­auf­nah­me“, die regel­mä­ßig den welt­wei­ten Fort­schritt zum Kli­ma­schutz über­prüft. 

Was soll­te die deut­sche Poli­tik von der COP mit­neh­men und wei­ter vor­an­trei­ben?

Gepp — Wich­tig ist vor allem, dass Deutsch­land sei­ne Haus­auf­ga­ben macht. Das heißt, eine kon­se­quen­te 1,5‑Grad-Politik zum Schutz der Gesund­heit, was auch zur Glaub­wür­dig­keit in inter­na­tio­na­len Foren bei­trägt. Deutsch­land hat zwar ver­sucht, den Aus­stieg aus den fos­si­len Ener­gien in die Abschluss­erklä­rung der COP ein­zu­brin­gen, inves­tiert aber gleich­zei­tig noch in fos­si­le Infra­struk­tu­ren welt­weit. Im Bereich Gesund­heit ist ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung, dass Deutsch­land eine akti­ve Rol­le in der Alli­ance for Trans­for­ma­ti­ve Action on Cli­ma­te and Health (ATACH) der WHO ein­nimmt und die Arbeits­grup­pe zur Finan­zie­rung mit­lei­tet. Die­se neue Alli­anz unter­stützt die Trans­for­ma­ti­on zu kli­ma­re­si­li­en­ten und nach­hal­ti­gen Gesund­heits­sys­te­men. Dazu haben letz­tes Jahr auf der COP26 über 50 Staa­ten Ver­pflich­tun­gen gemacht, die nun umge­setzt wer­den sol­len. Wich­tig ist aber auch, zu über­le­gen, wie Deutsch­land ande­re Län­der bei der Trans­for­ma­ti­on unter­stüt­zen und Finan­zie­rung und Exper­ti­se zur Ver­fü­gung stel­len kann.

Nach der COP ist vor der COP. Gera­de fin­det die 15. Welt­na­tur­kon­fe­renz (COP15) statt – da geht es vor allem um das dra­ma­ti­sche Arten­ster­ben und wie es zu stop­pen ist. Wie rele­vant ist das in Hin­blick auf unse­re Gesund­heit und für dei­ne Arbeit?

Gepp — Das ist sehr wich­tig, denn ein gesun­der Pla­net braucht bio­lo­gi­sche Viel­falt, damit Öko­sys­te­me, wie bei­spiels­wei­se Wäl­der, funk­tio­nie­ren. Öko­sys­te­me bil­den wie­der­um die Grund­la­ge für die Gesund­heit und das Wohl­erge­hen der Men­schen und der Tie­re. Gleich­zei­tig ist das Arten­ster­ben eine der pla­ne­ta­ren Gren­zen, die wir schon weit über­schrit­ten haben. Des­we­gen ist es für Pla­ne­ta­re Gesund­heit so wich­tig, dass Regie­run­gen in die­sem Bereich glo­bal den­ken und han­deln. Was auf die­ser Kon­fe­renz ent­schie­den wird, ist zen­tral – noch wich­ti­ger aber ist, was davon dann auch umge­setzt wird. 

Wir ste­hen kurz vor dem Jah­res­en­de: Was sind die wich­tigs­ten inter­na­tio­na­len Ent­wick­lun­gen 2023 in Bezug auf Pla­ne­ta­re Gesund­heit? Wo siehst Du beson­de­ren Hand­lungs­be­darf?

Gepp — Wir befin­den uns gera­de im Zeit­al­ter der sich über­schnei­den­den Kri­sen und in die­sem Kon­text müs­sen wir auch pla­ne­ta­re Gesund­heit im nächs­ten Jahr betrach­ten. Meh­re­re pla­ne­ta­re Gren­zen wur­den bereits über­schrit­ten, Russ­land führt wei­ter sei­nen Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne mit mas­si­ven huma­ni­tä­ren und geo­po­li­ti­schen Fol­gen und einer sich zuspit­zen­den Ernäh­rungs­kri­se. Vie­le Staa­ten ste­cken außer­dem in einer Schul­den­kri­se, was einen star­ken Ein­fluss auf die Gesund­heits­sys­te­me und somit auf die Gesund­heit ihrer Bürger:innen haben wird. In der Abschluss­erklä­rung der COP27 war­nen die Län­der, dass wir in Anbe­tracht die­ser Her­aus­for­de­run­gen im Kli­ma­schutz nicht zurück­fal­len dür­fen. Das ist aus mei­ner Sicht ein wich­ti­ger Punkt, wenn wir auf 2023 bli­cken. Span­nend wird auch zu beob­ach­ten, wie in inter­na­tio­na­len Foren wie der COP, G7 oder G20 die aktu­el­len Dis­kus­sio­nen und Beschlüs­se wei­ter aus­for­mu­liert und umge­setzt wer­den. Japan über­nimmt die G7-Prä­si­dent­schaft und setzt einen star­ken Fokus auf all­ge­mei­ne Gesund­heits­ver­sor­gung. Wie stark wird dabei Kli­ma, Kli­ma­neu­tra­li­tät und Kli­ma­re­si­li­enz mit­ge­dacht? Die G20-Prä­si­dent­schaft wird von Indi­en aus­ge­rich­tet – einem Land, das die Aus­wir­kun­gen der Kli­ma­kri­se, zum Bei­spiel durch extre­me Hit­ze – sehr stark spürt. Bei all­dem steht für mich die Fra­ge im Zen­trum, wie wir von den Gre­mi­en und Kon­fe­ren­zen zur Umset­zung kom­men und Mecha­nis­men schär­fe­re Zäh­ne ver­lei­hen, um Kli­ma­schutz und die Trans­for­ma­ti­on im Gesund­heits­we­sen inter­na­tio­nal und natio­nal vor­an­zu­brin­gen.

Pla­ne­ta­re Gren­zen

Unter Pla­ne­ta­ren Gren­zen ver­steht man öko­lo­gi­sche Belas­tungs­gren­zen der Erde, die ein Team von Erd­sys­tem- und Umweltwissenschaftler:innen ent­wi­ckelt haben. Wenn wir die­se Gren­zen über­schrei­ten, dann gefähr­det das die Sta­bi­li­tät des Öko­sys­tems Erde und damit die Lebens­grund­la­ge der Mensch­heit. Zu den Pla­ne­ta­ren Gren­zen zäh­len bei­spiels­wei­se der Kli­ma­wan­del, die Ver­saue­rung der Ozea­ne oder die Land­nut­zungs­än­de­rung, hier vor allem der Ver­lust an Wald­flä­che. Bei eini­gen die­ser Pro­zes­se gibt es soge­nann­te Kipp­ele­men­te, die, wenn wir sie über­schrei­ten, abrup­te und unum­kehr­ba­re Ver­än­de­run­gen her­vor­ru­fen. Als mög­li­che Kipp­ele­men­te iden­ti­fi­zier­ten Wissenschaftler:innen bei­spiels­wei­se das Abster­ben von Koral­len­rif­fen oder das Abschmel­zen des Gronlän­di­schen Eis­schil­des. 

Das Inter­view führ­ten Dr. Tere­sa Hol­ler­bach und Lau­ra Hof­mann mit Unter­stüt­zung von Robert Schulz. 

Durch die­ses und wei­te­re Inter­views mit unse­ren Wissenschaftler:innen wol­len wir aktu­el­le Debat­ten rund um pla­ne­ta­re Gesund­heit auf­grei­fen und über unse­re Arbeit und Schwer­punk­te berich­ten.

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