Ein Kommentar von CPHP-Direktorin Maike Voss
Vergangene Woche hat der Weltklimarat IPCC seinen Synthesebericht vorgelegt, heute wurde er noch einmal im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen IPCC-Koordinierungsstelle vorgestellt und diskutiert. Es ist ein Abschlussbericht, der die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten acht Berichte mit jeweils eigenen Schwerpunkten zusammenfasst und als Ganzes bewertet. Die zentralen Botschaften machten Schlagzeilen: Der Klimawandel schreitet schneller voran, die Folgen für den Planeten und uns Menschen sind stärker als bisher gedacht. Ohne drastische und sofortige Maßnahmen zur Senkung klimaschädlicher Treibhausgase, wird die 1,5‑Grad-Grenze noch in den 2030er Jahren überschritten werden. Schlechte Nachrichten auf robuster Evidenzlage – viel zu tun um Gesundheit zu fördern und zu schützen.
Die Wissenschaftler:innen betonten aber zugleich, dass eine lebenswerte, nachhaltige Zukunft für alle noch möglich ist – wenn wir jetzt handeln. Das macht den Bericht zu mehr als einem weiteren Weckruf. Er ist ein lautstarkes Alarmsignal der Wissenschaft verbunden mit konkreten und notwendigen Handlungspfaden: Wir haben das notwendige Wissen und die entsprechenden Instrumente sind vorhanden. Die politische Umsetzung ist zwar angeschoben, aber reicht bislang alles andere als aus.
„Der Klimawandel ist eine Bedrohung für das menschliche Wohlergehen und die planetare Gesundheit.“
Der Bericht dient als zentrale wissenschaftliche Grundlage für anstehende Klimaverhandlungen auf allen politischen Ebenen. Darum freut es mich besonders, dass die Autor:innen im nun vorgestellten Bericht erneut und klar die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Gesundheit betonen und ‚planetare Gesundheit‘ als Konzept Eingang gefunden hat.
Planetare Gesundheit beschreibt die Zusammenhänge unserer menschlichen Gesundheit, der Gesundheit der Tiere und der Gesundheit der Ökosysteme. Damit zoomt planetare Gesundheit im ersten Schritt maximal weit raus und blickt mit der größtmöglichen Brille auf Gesundheit. Dem Ansatz zugrunde liegen die Erkenntnisse aus den Umwelt- und Erdwissenschaften zu den planetaren Grenzen: die Belastungsgrenzen des Planeten, die nicht überschritten werden dürfen, um die Stabilität der Ökosysteme der Erde zu erhalten.
Um Gesundheit innerhalb planetarer Grenzen zu schützen und zu fördern, braucht es also die natürlichen Systeme und Prozesse auf der Erde wie ein stabiles Klima und eine intakte biologische Vielfalt, die günstige Lebensbedingungen für menschliches Wohlergehen und Gesundheit schaffen. Man könnte auch sagen: Die Umwelt kann ohne uns – wir aber nicht ohne sie. Denn als Lebewesen sind wir Menschen untrennbar Teil der Natur und damit letztlich von ihr abhängig.
Der Klimawandel belastet unsere Gesundheit auf vielfache Weise
Menschen in allen Weltregionen sind mit Umweltveränderungen konfrontiert, die ihre Gesundheit betreffen. Die IPCC-Wissenschaftler:innen nennen unter anderem immer häufiger auftretende extreme Hitzeereignisse, die Menschen körperlich und seelisch belasten und hitzebedingte Krankheits- und Todesfälle ansteigen lassen. Dasselbe gilt für Krankheiten, die durch Lebensmittel, Wasser oder Vektoren übertragen werden: Die Erderwärmung ist schon jetzt dafür verantwortlich, dass Infektionen vermehrt auftreten, unter anderem weil Mücken durch den Temperaturanstieg mehr Zeit haben sich zu vermehren und zu verbreiten. Extremwetterereignisse wie Stürme, Überschwemmungen oder Waldbrände sind nicht nur mit akuten Risiken verbunden, sondern können auch mittel- und langfristig traumatisch sein, so dass Belastungsstörungen, Angstzuständen und Depressionen zunehmen können.
Diese (und weitere) klimabedingte Entwicklungen verschärfen sich in allen vom Weltklimarat analysierten Szenarien noch weiter und werden entsprechend auch unsere Gesundheit noch stärker beeinträchtigen. Parallel dazu ist das Gesundheitssystem doppelt betroffen: Gesundheitsfachkräfte müssen mehr betroffene Menschen versorgen und gleichzeitig sind sie und das Gesundheitswesen in seiner Infrastruktur den Klimawandelfolgen wie Extremwetterereignissen ausgesetzt. Das Ausmaß und die Fähigkeiten mit diesen Risiken umzugehen, hängen nun davon ab, wie stark und wie zügig politische Entscheidungen und Rahmenbedingungen sowie konkrete Maßnahmen im und für das Gesundheitswesen ausgestaltet und umgesetzt werden.
Was dem Klima gut tut, tut auch der Gesundheit gut
Der Weltklimarat gibt für das Gesundheitswesen keine konkreten Handlungsempfehlungen oder Lösungen vor. Er weist aber ganz klar auf sogenannte Co-Benefits hin, also auf die Mehrgewinne von Maßnahmen, die sowohl gut fürs Klima als auch für die Gesundheit sind. So tragen die Erzeugung und der Einsatz erneuerbarer Energien ebenso wie die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht nur zur Senkung erderwärmender Emissionen bei, sondern verbessern zur gleichen Zeit die Luftqualität und wirken damit präventiv und gesundheitsfördernd. Das gleiche gilt natürlich für aktive Mobilität, also Laufen und Radfahren – beides emissionsarme Fortbewegungsmöglichkeiten, die unsere Gesundheit fördern und vor allem bei der Stadtplanung stärker berücksichtigt werden sollten.
Ernährung ist ein weiterer Bereich, in dem solche Co-Benefits leicht auszumachen sind: Ein überwiegend pflanzenbasierter Speiseplan schützt die Gesundheit und den Planeten gleichermaßen. Die Kombination von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen birgt zahlreiche dieser Co-Benefits – insbesondere, wenn gesundheitliche Chancengerechtigkeit als Ziel definiert wird. Eine win-win-win-Strategie, deren Umsetzung sich sofort spüren und messen lässt.
Was ist zu tun?
Wir wissen viel über die Zusammenhänge zwischen den Folgen des Klimawandels und Gesundheit – genug, um mit konkreten und wirksamen Maßnahmen besonders betroffene Menschen strukturell besser zu schützen und Gesundheitsförderung zu stärken. Wir wissen auch: Es gibt gesellschaftlichen Rückenwind für solche Maßnahmen. Laut der PACE-Studie der Universität Erfurt ist die erklärte Handlungsbereitschaft für Klimaschutz und Klimaanpassungsmaßnahmen in der Gesellschaft vorhanden. Entscheidend ist nun, dass diese Erkenntnisse und Instrumente auch zügig ein- und umgesetzt werden.
Für die Umsetzung braucht es vorab klare Ziele für das deutsche Gesundheitswesen:
- Im ersten Schritt geht es darum, die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen zu reduzieren, um den Druck aus dem System zu nehmen und durch weniger Leistungen Emissionen zu reduzieren – dies funktioniert vor allem durch Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention mit Mehrgewinnen für das Klima.
- Zweitens brauchen wir auch aus Klimaperspektive eine bedarfsorientierte Gesundheitsversorgung und damit einhergehend den Abbau von Über‑, Fehl- und Unterversorgung, da auch hier vermeidbare Emissionen gespart werden können.
- Drittens muss es stärker darum gehen im bestehenden Angebot von Gesundheitsdienstleistungen Emissionen zu reduzieren, beispielsweise durch einen dekarbonisierten Krankentransport, grüne Infrastruktur, Kreislaufwirtschaft und digitale Lösungen.
Politiker:innen müssen jetzt Führungsstärke zeigen
Das Zeitfenster, in dem wir eine lebenswerte und gesunde Zukunft für alle noch gestalten können, ist dabei sich zu schließen, heißt es im IPCC-Bericht. Auf allen Ebenen müssen Politikentscheidende nun Führungsstärke zeigen, vorangehen und zusammenarbeiten – und Ressourcen mobilisieren. Dies gilt für die kommunale und Landesebene ebenso wie für nationales und internationales Parkett.
An konkreten Anlässen mangelt es hierfür in den kommenden Wochen und Monaten wahrlich nicht: Auf Bundesebene wird aktuell das neue Klimaanpassungsgesetzes verhandelt, inklusive einer vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie. Ebenso ist die Zukunft des Verkehrs ein derzeit debattiertes Thema auf kommunaler, Länder- und nationaler Ebene, bei dem man Gesundheit nicht aus dem Blick verlieren sollte. Auf europäischer Ebene steht im Juli die Konferenz der Gesundheits- und Umweltminister:innen der WHO EURO Region in Budapest. Und Ende des Jahres ist natürlich die UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai der richtige Ort, um Klima und Gesundheit integriert nach vorne zu bringen.