Sophie Gepp ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Centre for Planetary Health Policy (CPHP) mit einem Arbeitsschwerpunkt auf der globalen Governance von Planetarer Gesundheit. Derzeit macht sie ihre medizinische Promotion in der Arbeitsgruppe Klimawandel und Gesundheit an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Zudem hat sie internationale Organisationen im Bereich Klimawandel und Gesundheit beraten und forscht bei Global Health 50/50 zu Gendergerechtigkeit in globaler Gesundheit. Sie ist Ko-Vorsitzende des Lenkungskreises des Global Health Hub Germany.
Unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Sophie Gepp hat die Weltklimakonferenz in Dubai beobachtet. Dort gab es zum ersten Mal einen Thementag Gesundheit, aber auch jenseits davon sind die Verhandlungen und Ergebnisse von großer Bedeutung für Gesundheit. Im Interview ordnet Sophie die COP28 aus Gesundheitsperspektive ein und sagt, worauf es jetzt ankommt.
In Dubai ist gerade die Weltklimakonferenz zu Ende gegangen. Welche Themen standen dieses Mal im Fokus?
Gepp — Ein besonders wichtiger Prozess war dieses Jahr die sogenannte globale Bestandsaufnahme, Global Stocktake genannt. Hier hat sich die versammelte Weltgemeinschaft zusammen angesehen, wo wir in Bezug auf die Ziele des Pariser Abkommens stehen. Ebenfalls sehr wichtig und ein ganz klar wegweisend ist der sogenannte Loss and Damage Fund, also der Fonds zu Schäden und Verlusten, der auf der letzten Klimakonferenz in Sharm El Sheikh angekündigt und hier in Dubai nun offiziell eingerichtet wurde. Gleichzeitig fanden in Dubai wichtige Verhandlungen im Bereich Klimaanpassung und Finanzierung statt.
Das Abschlussdokument der COP28 wird von vielen als Meilenstein gefeiert. Andere sehen es kritischer, sprechen aber von einem wichtigen Signal. Wie ist das Ergebnis aus Gesundheitsperspektive einzuordnen?
In Dubai haben sich die Länder erstmals auf eine schrittweise Abkehr aus fossilen Brennstoffen geeinigt, und geht damit die Hauptursache der Klimakrise an. Das ist zwar ganz klar ein wichtiges Signal für das Ende der Ära der fossilen Energieträger. Allerdings kommt es jetzt auf die konkrete Umsetzung in der Politik der Länder an, ob das, was vereinbart wurde, auch tatsächlich unsere Gesundheit schützt. Insgesamt hätte die Abschlusserklärung noch ambitionierter sein können und es finden sich auch diverse Schlupflöcher, wie beispielsweise die Betonung der Rolle von ‚transitional fuels‘ wie etwa Gas als Übergangslösung. Diese Schlupflöcher gefährden die Einhaltung 1,5 Grad Ziels. Und was ebenfalls ungeklärt ist: Wie soll ein sozial gerechter Übergang umgesetzt und finanziert werden?
Die Auswirkung fossiler Brennstoffe auf unsere Gesundheit sind enorm. Nicht nur weil deren Nutzung die Klimakrise selbst vorantreibt, sondern auch, weil fossile Energien erheblich zur Luftverschmutzung beitragen, die laut einer neuen Studie ursächlich für jährlich 8 Millionen vorzeitige Todesfälle ist. 5 Millionen davon lassen sich gemäß dieser Studie auf Luftverschmutzung durch fossile Energieträger zurückführen. Um den Klimawandel und insbesondere den globalen Temperaturanstieg und seine Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit zu begrenzen, ist es entscheidend, dass alle Länder nun rasch, aber auch sozial gerecht, aus allen fossilen Brennstoffen aussteigen – ohne sich auf falsche Lösungen zu verlassen.
Aus gesundheitlicher Perspektive ist außerdem die Einrichtung des so genannten Loss and Damage Fund, also eines Fonds für Schäden und Verluste ein großer Erfolg. Dafür haben Zivilgesellschaft und Länder des globalen Südens seit Jahrzehnten gekämpft.
Dazu zählt auch, wenn Gesundheitsinfrastruktur beeinträchtigt wird, beispielsweise die Zerstörung von Krankenhäusern durch klimwandelbedingte Extremwetterereignissen. Gesundheitliche Einbußen oder Einschränkungen als Folgen des Klimawandels zählen hier ebenfalls dazu. Wichtig ist nun, dass dieser Fonds ausreichend Finanzierung erhält.
Zudem wurde über ein globales Ziel für die Anpassung an Klimafolgen verhandelt, in dessen Kontext Gesundheit als ein Anpassungsbereich aufgegriffen wird. In der Entscheidung finden sich allerdings noch wenig Konkretes bezüglich messbarer Ziele und Finanzierung. Die Entwicklung der Indikatoren steht noch aus.
Auf der COP28 gab es erstmals ein Gesundheitstag. Bevor wir tiefer einsteigen: War Gesundheit bislang kein Thema auf den Konferenzen?
Die WHO sagt, und dem würde ich mich anschließen, dass das Pariser Klimaabkommen und seine Umsetzung zentral für Gesundheit und damit im Grunde auch ein Gesundheitsabkommen ist. Das, was 2015 auf der COP in Paris beschlossen wurde, ist eines der wichtigsten Abkommen für Gesundheit weltweit in diesem Jahrhundert. Dementsprechend war also auch das, was auf bisherigen Weltklimakonferenzen debattiert und beschlossen wurden, relevant für unsere Gesundheit und die des Planeten. Ganz explizit wurde Gesundheit das erstmals 2021 auf der Weltklimakonferenz in Glasgow aufgegriffen. Dort wurde das “COP26 Health Programme“ vorgestellt, aus dem dann die Alliance for Transformative Action on Climate and Health, ATACH, entstanden ist, und in dessen Rahmen mittlerweile über 80 Ländern Zusagen zu klimaresilienten oder emissionsarmen Gesundheitssystemen gemacht haben. Mit dem diesjährige Thementag wurde Gesundheit aber noch viel prominenter auf die Agenda gesetzt und viele Akteur:innen noch einmal extra für den Nexus Klimawandel und Gesundheit sensibilisiert.
Was genau ist beim Gesundheitstag passiert?
Dort hat das erste ministerielle Treffen zu Klimawandel und Gesundheit stattgefunden, bei dem Gesundheitsakteur:innen und Minister:innen verschiedener Ressorts aus vielen verschiedenen Staaten zusammengekommen sind. Verschiedene Akteur:innen haben zudem Finanzierungszusagen zu Klimawandel und Gesundheit gemacht, die sich laut COP-Präsidentschaft auf insgesamt etwa eine Milliarde US-Dollar summieren. Weiterhin wurde eine Deklaration zu Klimawandel und Gesundheit beschlossen, die inzwischen von über 140* Staaten unterzeichnet wurde. Das ist in der Tat ein Meilenstein!
Worum genau geht es in dieser Deklaration?
Sie unterstreicht unter anderem, dass Gesundheitssysteme klimaresilient und emissionsarm werden sollen. Zudem wird betont, dass Klimaschutz im Kontext von Gesundheitsprogrammen und umgekehrt auch Gesundheit im Kontext von Klimaverhandlungen und Vereinbarungen zu Klimaschutz eine Rolle spielen soll. Auch wurde noch einmal deutlich die Bedeutung der Finanzierung an der Schnittstelle von Klimawandel und Gesundheit hervorgehoben. Dass ein so starker Fokus auf dem Thema Finanzierung lag, ist insgesamt sehr positiv zu bewerten, und die bereits erwähnten finanziellen Zusagen untermauern und stützen die Deklaration noch einmal. Allerdings ist es hier sehr wichtig, darauf zu achten, woher diese Finanzierung kommt und wie genau sie am Ende geleistet wird. Gesundheit wird ja von vielen anderen Sektoren maßgeblich beeinflusst. Darum ist es wirklich von zentraler Bedeutung, dass die Gelder nicht aus diesen Sektoren umgeleitet werden, sondern dass es sich um neue und zusätzliche Mittel handelt, um Klimaschutz und damit auch Gesundheitsschutz wirklich voranzutreiben.
War die COP28 mit Blick auf Gesundheit also ein Durchbruch?
Allein die Tatsache, dass Gesundheit so prominent platziert wurde wie nie zuvor, könnte man im Grunde schon wegweisend bezeichnen, und auch als starken Impuls für die Arbeit an der Schnittstelle zwischen Klimawandel und Gesundheit. Am Beispiel der Deklaration zeigt sich aber auch, dass sich in den Ländern verschiedene Sektoren und Ministerien im Vorfeld gut abgestimmt haben. Die Deklaration kann die Zusammenarbeit und Ambitionen in diesem Bereich weiterhin befördern und ein Signal in die Länder hinein sein.
Andererseits ist die Deklaration nicht Teil der verbindlichen Hauptverhandlungen der Weltklimakonferenz und damit nicht bindend. Leider muss man auch sagen, dass die in ihr festgehaltenen Ziele eher vage sind und auch die Sprache hätte an einigen Stellen ambitionierter sein können. Man hätte beispielsweise von klimaneutralen statt von emissionsarmen Gesundheitssystemen sprechen können. Auch erwähnt die Deklaration die fossilen Energien nicht – absurd wenn man deren enorme Auswirkungen auf Gesundheit bedenkt.
Nach der COP ist vor der COP — Was ist jetzt als nächstes wichtig?
Vor allem ist jetzt von Bedeutung, was zwischen den Weltklimakonferenzen passiert, auf Länderebene. Die Deklaration zu Klimawandel und Gesundheit ist nicht bindend, darum ist es unglaublich wichtig im Auge zu behalten, wie sie im Nachgang de facto in den Ländern umgesetzt wird und welche Schritte wirklich gegangen werden. Dasselbe gilt im Grunde für die Abschlusserklärung, wenn das Signal, das sie sendet, nicht einfach verhallen soll: Die Abkehr von den Fossilen muss nun auch vollzogen werden. Aus gesundheitlicher Sicht ist es wirklich zentral, dass Staaten hier ambitionierte Schritte beschließen – und dann auch wirklich gehen. Die Länder des globalen Nordens haben lange besonders hohe Emissionen aufgewiesen und in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung stark von fossilen Brennstoffen profitiert, insbesondere Deutschland und die Länder der EU. Aus wissenschaftlicher Perspektive, im Sinne sozialer Gerechtigkeit und Solidarität und natürlich mit Blick auf Gesundheit ist es darum mehr als opportun, dass Deutschland hier jetzt zügig vorangeht und vollständig aus fossilen Brennstoffen aussteigt. Deutschland und die EU-Länder sollten zudem die Länder des globalen Südens finanziell unterstützen, sowohl beim Ausstieg, aber auch bei den Klimaanpassungsmaßnahmen.
Ein Termin, den man sich für 2024 schon mal vormerken sollte, ist die Weltgesundheitsversammlung der WHO im Mai, bei der voraussichtlich eine Resolution zu Klimawandel und Gesundheit vorgelegt wird.
* Stand 13. Dezember 2023
Das Interview führte Maike Bildhauer. Mitarbeit: Lilli Blank.
Durch dieses und weitere Interviews mit unseren Wissenschaftler:innen wollen wir aktuelle Debatten rund um planetare Gesundheit aufgreifen und über unsere Arbeit und Schwerpunkte informieren.
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